Welche Zukunft für die Schweizer Wasserkraft?

Verschiedenste Anlässe der Energiewirtschaft wie die Smart Energy Party wurden für 2020 abgesagt. Das Swiss Economic Forum SEF fand zwar vor kurzem in Montreux statt, die Reaktionen der Teilnehmenden waren gemischt: die Schwester-Veranstaltung Swiss Innovation Forum SIF wird deshalb im November als rein digitales dreitägiges Festival ablaufen. Eben wurden die Powertage ein zweites Mal nun auf Juni 2021 verschoben, ob die e-world im kommenden Februar in Essen stattfinden wird, ist offen.

Beinahe jeder Kanton macht andere COVID-Vorgaben für Veranstaltungen, nur bei den grösseren Sportveranstaltungen kann man von einer in etwa einheitlichen Umsetzung sprechen. Wenn wir an Veranstaltungen teilnehmen, merken wir, wie lähmend für das Gespräch die Vorgaben (teils mit Masken) sind und wie wichtig für uns als soziale Wesen neben all dem digitalen Austausch per Skype, Zoom, Teams, Webex etc. zwischendurch der persönliche Kontakt, das Schauen in das andere Gesicht, die Mimik des Gegenübers oder auch nur das Flackern oder Leuchten der Augen des Gesprächspartners für uns sind.

Vom Massenevent zu digitalen Formaten und einem…

Ich habe im vergangenen Jahr im Content Board des Europaforums Luzern mitgewirkt, welches im Rahmen des Jahresthemas „Sicherheit in Zeiten der Unsicherheit“ neben anderen Themen auch einige spannende Fragen der Energieversorgungssicherheit anschneiden wollte. Angedacht war wie üblich ein zweitägiger Event im KKL Luzern, zu welchem jeweils über 1000 Personen für die Hauptsession erwartet werden. Schon bald nach den ersten Coronanachrichten haben wir mit einer totalen Überarbeitung begonnen und verschiedenste Gespräche und Talks fanden rein digital statt.

So unterhielten sich Doris Leuthard und der Direktor des Berliner Instituts für Internationale Politik und Sicherheit, Volker Perthes, über Sicherheit und Unsicherheit.

Der Hacker Ivan Bütler erzählte, wie er in einen Stromversorger eingebrochen ist und den Strom abgeschaltet hat oder der Cyber-Delegierte des Bundes Florian Schütz berichtet in einem Webcast über die Cyber-Strategie des Bundes

…ersten Kleinanlass in einem Kraftwerk

Gestern nun fand die erste Europaforum-Veranstaltung zum Jahresthema statt, bei der 50 Personen physisch präsent sein konnten. Sie wurde tief im Grimselmassiv in der Turbinenhalle von Handeck 2 durchgeführt. Die in den Jahren 2013-2016 neu gebaute riesige Kaverne Handeck 2 ist höchst imposant, die eigentliche Turbine befindet sich in 12 Metern Tiefe im Fels, im Saal bestechen ein riesiger Kranzug sowie ein Deckel, auf dem das Podium zur Wasserkraft stattfand. Da wird eben auch sichtbar, dass Wasserkraft im Vergleich zu PV sehr kapitalintensiv ist und entsprechend die hohen Investitionen verzinst sowie abgeschrieben werden müssen.

Strategie Schweizer Wasserkraft: Autarkie oder Batterie Europas?

Die KWO hatten sich bereiterklärt, diese Veranstaltung zum Thema Wasserkraft in ihrem Räumen durchzuführen. CEO Daniel Fischlin präsentierte in einem spannenden Einführungsreferat die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Produzenten aktuell stehen. Er zeigte aber auch auf, welche weiteren Investitionen im Grimselgebiet möglich sind und wie der sich bildende Gletscherrandsee Trift künftig für die Versorgungssicherheit unseres Landes genutzt werden könnte.

Im anschliessenden Leadership-Talk stellten sich Phyllis Scholl (Verwaltungsrätin bei Alpiq, Energiedienst und EW 3 Höfe), Maurice Dierick (Leiter Market Swissgrid) und Marianne Zünd (Leiterin Medien und Politik BFE) zusammen mit Daniel Fischlin den Fragen von Sven Millischer. Von Phyllis Scholl wurde postuliert, dass sich die aktuellen Probleme nur lösen lassen, wenn im Strombereich wie in anderen Bereichen der Wirtschaft der Kunde ins Zentrum gestellt wird: er sollte eigentlich bereit sein, für die Versorgungssicherheit etwas zu bezahlen. Marianne Zünd nahm diesen Gedanken auf und folgerte, dass die Schweizerinnen und Schweizer mit ihrer Vorliebe, alles und jedes versichern zu lassen, vielleicht sich auch zu einer Versicherungsprämie für Versorgungssicherheit Strom bereiterklären könnten.

Schweizer auf Guerilla-Pfaden?

Maurice Dierick berichtete, dass wegen des fehlenden Stromabkommens heute die Schweizer Vertreter sich in den zuständigen europäischen Branchengremien wie ENTSO-E beinahe nur noch dank einer Guerilla-Strategie wie etwa Präsenz als Protokollführer oder Erbringer anderer Hilfeleistungen noch einbringen können. Auf der kommerziellen Seite haben die Schweizer Stromanbieter immer mehr Barrieren zu überwinden und können die Produkte nicht mehr zu denselben Bedingungen wie die europäische Konkurrenz anbieten: das wirkt sich auf die Ergebnisse der Stromfirmen immer stärker aus.

Die Zukunft der Wasserkraft 2050+

Daniel Fischlin zeigte auf, dass für Neuinvestitionen in grössere Wasserkraftwerke, welche wiederum für 80 Jahre Strom liefern werden, die Rahmenbedingungen aktuell zu unsicher sind. Hier müssten der Bund aber auch die Kantone in den nächsten Jahren klare Signale aussenden und gleichzeitig die Fachämter Themen wie Biodiversität und Aufnahme von Gebieten in nationale Schutzkataster mit Augenmass angehen.

In ihrem Schlussvotum präsentierte Marianne Zünd zwei zentrale Ergebnisse der im November erscheinenden neuen Energieperspektiven des BFE, welche über das Jahr 2050 hinaus eine Sicht geben sollen:

1.            Energieversorgungssicherheit lässt sich in unserem Land nur zusammen mit unseren Nachbarn sowie Europa garantieren.

2.            Die Wasserkraft wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen: sie wird insbesondere eine wichtige Funktion beim Ausgleich der anderen erneuerbaren Energien wie PV, Wind, Biomasse etc. übernehmen und damit ein unumstösslicher Pfeiler unserer Versorgungssicherheit sein.

Der Webcast zum Grimsel-Event wird heute bei

https://www.europaforum.ch

aufgeschaltet. Das Europaforum wird weitere Themen wie „Die Zukunft von Gas als Teil unserer Energieversorgung“ und „Welche Netze brauchen wir?“ in den nächsten Leadership-Talks aufnehmen.


 Dieser Text erscheint am 24. September im Energate Messenger Schweiz