2003 brauchte ich ein neues Auto. Als BFE-Direktor fand ich es zwecks Vorbildfunktion angebracht, ein ökologisches Zeichen setzen. Also sollte es ein VW Golf mit Gas- und Dieselantrieb werden. Diesen auch wirklich zu kaufen, war dann aber gar nicht so einfach. Nicht nur musste ich dem VW-Verkäufer die CO2-Vorteile dieses Wagens näherbringen, sondern ihm auch klarmachen, dass dieser Wagen preislich durchaus mit den anderen Modellen, die er mir viel lieber hätte verkaufen wollen, mithalten konnte. Dies dank einer grosszügigen Prämie des regionalen Gasversorgers. Da wurde mir klar, welche zentrale Rolle der Verkäufer beim Autokauf spielt: Sein Fachwissen, seine Boni, seine Deals mit Occasionshändlern aber auch die Flottenrabatte und andere Vergünstigungen, die er anbieten kann.
Haben Sanktionen überhaupt eine Wirkung?
Beinahe ein Jahrzehnt später, nämlich 2012, traten in der Schweiz die CO2-Emissionsvorschriften für Neuwagen in Kraft. Neu zugelassene Autos sollten ab da nicht mehr als 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen. Verfehlten sie dieses Ziel, wurde eine Sanktionsabgabe für den Autoimporteur fällig. Externe Experten schätzten damals, dass die Sanktionen gesamthaft wohl gegen 50 Millionen Franken pro Jahr betragen würden, was in der Finanzkommission des Ständerates zu heftigen Debatten führte. Es wurde moniert, dass es sich um eine trickreiche neue Einnahmequelle des Staates durch die Hintertür handle, denn die Sanktionen würden weder die Entscheide der Autokäufer noch Importeure wirklich beeinflussen. Der PS-begeisterte Käufer nehme diesen Zusatzbetrag wohl einfach in Kauf, weil er es sich ja leisten könne. Wenig fruchteten denn auch meine Erklärungen gegenüber einem profilierten Luzerner Standesherren, dass das Ziel der Sanktionen eben nicht möglichst hohe Einnahmen für den Bund, sondern die Erreichung der CO2-Ziele sei.
Sanktionen wirken, aber erst, wenn sie anfangen weh zu tun
Grosses Erstaunen dann im Folgejahr in der Finanzkommission: Anstatt 50 Millionen Franken beliefen sich die Sanktionszahlungen auf nur etwas mehr als 3 Millionen Franken. Denn die Autoimporteure fanden sich rasch und geschickt mit dem neuen Regime zurecht und hatten sich in Gemeinschaften von Marken mit hohem und tiefem CO2-Ausstoss zusammengeschlossen. So wurde dann im Durchschnitt das Ziel der 130 g CO2/km kaum überschritten.
Erst in den folgenden Jahren stiegen die Sanktionszahlungen deutlich an. Grund dafür war, dass immer mehr stark motorisierte und schwere Fahrzeuge mit hohem Treibstoffverbrauch importiert, kräftig beworben und verkauft wurden. Dieser Trend hält bis heute unverändert an, was das Erreichen der seit 2020 geltenden neuen Emissionsvorschriften von 95 g CO2/km nicht gerade vereinfacht und die Sanktionszahlungen künftig weiter in die Höhe treiben könnte.
Die ungeliebte „Serie Egloff“
Mit steigenden Sanktionszahlungen steigt auch der wirtschaftliche Druck auf die Importeure. Vielen Herstellern und Importeuren wurde bewusst, dass es sinnvoll sein könnte, mehr CO2-arme Fahrzeuge zu verkaufen. So gab BMW dem Schweizer Importeur schon 2017 das Ziel vor, die Verkäufe derart zu gestalten, dass keine Sanktionszahlung fällig würde. Gegen Ende des Jahres 2017 stellte der CEO von BMW Schweiz, Kurt Egloff, mit Schrecken fest, dass er dieses Ziel verfehlen würde. Geschickt importierte er noch – wie die Branche erzählt – zwei Fussballfelder voller Elektrofahrzeuge BMW i3. Er löste diese für einen Tag ein und konnte mit diesem Trick das vorgegebene Ziel 2017 doch noch erreichen. Doch die Zentrale in München kam Egloff auf die Schliche und setzte ihn unverzüglich vor die Tür.
Gegen Ende 2018 wurde dann allen Teilnehmenden des SBB-Pilotprojekts Green Class, zu denen ich gehöre, ein neuer BMW i3 angeboten. Nicht wenig erstaunt war ich, als ich zwar ein nigelnagelneues Fahrzeug erhielt, dieses aber die Batteriekapazität des Vorjahresmodells und damit die deutlich geringere Reichweite aufwies. BMW hatte die „Serie Egloff“ auf diesem Weg definitiv in den Schweizer Markt eingeschleust.
Bessere Margen, Rabatte und Incentives für E-Fahrzeuge
Bei den Importeuren dämmerte es nach dem brutalen Abgang von Kurt Egloff, dass Elektrofahrzeuge im Markt nur dann erfolgreich sind, wenn sie mindestens von den gleichen Konditionen und Sonderbedingungen wie Diesel- und Benzinfahrzeuge profitieren können. So wurden auch für Elektrofahrzeuge endlich Flottenrabatte möglich, und die einzelnen Verkäufer mit Bonus- und anderen Programmen motiviert, ihren Kunden den Kauf CO2-armer Autos schmackhaft zu machen.
Aber die Schulung der Verkäufer müsste wohl noch umfassender angegangen werden. Sie sollten in der Lage sein, jedem Interessenten auf Franken und Rappen aufzuzeigen, dass ein Elektroauto über seine Betriebsdauer dank tieferen Treibstoff- und Unterhaltskosten, sowie der aktuell nicht zu bezahlenden Mineralölsteuer deutlich günstiger ist. Der etwas höhere Kaufpreis wird damit voll und ganz kompensiert.
Klimaziele erreichen mit klugen Salär-Anreizen
Das BMW-Management in München hat nun eine nächste Stufe ihrer Klimastrategie gezündet. Die CO2-Emissionen pro Fahrzeug sollen bis zum Jahr 2030 um 40% gesenkt werden. In der eigenen Produktion ist gar eine Reduktion von 80% geplant. Der Wert bei den verkauften Autos soll von 127 g CO2/km im Jahre 2019 bereits dieses Jahr um 20% runterkommen. Ein sehr ambitiöses Ziel, solange die Firma mit dem BMW i3 heute nur gerade ein Elektrofahrzeug anbietet. Um diesen Ansätzen mehr Schub zu geben, werden die Entschädigungen des Topmanagements an die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele geknüpft. Ich bin überzeugt, dass sich diese ambitiösen Klimaziele erreichen lassen, wenn in der gesamten Gruppe vom Management bis hin zum Verkäufer in der Filiale in der Schweiz Löhne und Entschädigungen mit der Erreichung von Klimazielen gekoppelt werden. Ob andere Autoproduzenten nachziehen?