Letzte Woche war ich nach 9 Wochen Lockdown erstmals wieder unterwegs zu einer Sitzung nach Zürich – in einem beinahe völlig leeren SBB-Wagen. Es war ein komisches Gefühl: erstmals wieder im Businesslook, die Zugsbegleiterin trägt eine Maske, die meisten Reisenden keine – der neue Alltag rollt langsam an. Und natürlich frägt man sich, was denn bleiben wird von dieser Krise, von den neuen Verhaltensweisen, von den neuen Abläufen, die uns in den letzten Wochen zu Gewohnheit wurden. Einiges davon hat sich ja als durchaus praktisch und akzeptabel erwiesen und könnte unseren Alltag auch künftig prägen.
Homeoffice setzt sich durch
Zu Beginn der Krise war es vielen Leuten fürchterlich unwohl, nicht mehr tagtäglich zur Arbeit zu pendeln und so auch Distanz von zuhause zu gewinnen. Denn für viele ist der Arbeitsweg ja weit mehr als nur eine Pendlerstrecke, sondern ein Ritual: Zeitung lesen, Coffee-to-go holen, Small-Talks mit Kollegen. Inzwischen haben viele die schönen Seiten des Homeoffice entdeckt und es wird in Zukunft sicherlich an Bedeutung gewinnen. Denn einige Aufgaben können zuhause besser und konzentrierter als im Büro erledigt werden. Voraussetzung dafür ist eine gute ICT-Infrastruktur, die den Zugang zum Firmennetzwerk und die Kommunikation mittels Videokonferenzen erlaubt. Da gibt es noch einiges zu verbessern und auch arbeitsrechtlich neu zu regeln.
Werden Bürogebäude bald für das Wohnen genutzt?
Die Zunahme von Homeoffice wird die Nachfrage an Büroflächen weiter reduzieren und leerstehende Bürogebäude könnten schon bald für Wohnzwecke um genutzt werden. Schon heute gibt es in vielen Unternehmen keine eigenen, fixen Arbeitsplätze für die einzelnen Mitarbeitenden mehr, da viele sowieso nicht immer im Büro sind, sondern unterwegs oder im Homeoffice arbeiten. Dennoch wird es weiterhin Orte brauchen, an denen man sich beruflich begegnen, austauschen, Projekte vorantreiben, sich streiten und zu Kompromissen finden kann. Dazu braucht es neue Layouts und Ausstattungen mit Rückzugsmöglichkeiten, mit Ecken für Gruppenarbeiten, Begegnungszonen.
PV-Anlagen auf allen Neubauten obligatorisch erklären
Versorgungssicherheit hat sich als vorrangiges Thema etabliert, nicht nur bei Desinfektionsmitteln, Pharmatests und Medikamenten, sondern durchaus auch im Energiebereich. Einige möchten dazu am liebsten subito ein paar Gaskraftwerke bauen, während eine grosse Mehrheit auf die erneuerbaren Energien setzt. Der Zubau von PV-Anlagen geht rasch voran und auch die Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch nehmen stetig zu. Beschleunigen könnte man diesen Trend, indem die Nutzung der Dachflächen für Solaranlagen bei Neubauten obligatorisch wird. Die Kantone könnten dies in ihren Energiegesetzen so festlegen. Interessant ist übrigens, dass erste Kantone von der bisher hochgehaltenen Maxime abrücken, dass für den Gebäudebereich ausschliesslich die Kantone und ihre kantonalen Energiegesetze zuständig sind. So verzichtet der Kanton Solothurn nun auf ein neues Energiegesetz und will sich stattdessen an die Vorgaben des nationalen CO2-Gesetzes halten, das derzeit im Parlament diskutiert wird. Beginnen die Kantone auf ihre Kompetenzen im Gebäudebereich zu verzichten und akzeptieren vermehrt Bundeslösungen? Vielleicht sollten die Energiedirektoren der Kantone im aktuellen politischen Umfeld weniger auf verfassungsmässige Rechte pochen sondern vermehrt überlegen, wie wir kluge Regulierungen mit massivem Effekt für unseren Erneuerbaren-Anteil möglichst schlank durchbringen: und dies dürfte mit der Änderung eines einzigen Artikels im Energiegesetz des Bundes sein als die Diskussion in 26 Kantonen mit je eigenen Gepflogenheiten!
Blockheizkraftwerke statt Beharren auf Wärmeversorgung über Gasleitungen
Aufgepoppt ist in den letzten Wochen auch die Diskussion, ob die Gasnetze bis 2050 noch betrieben werden sollen oder ob der Rückbau mit Blick auf Simonetta Sommarugas „Netto-Null“ Vision bereits jetzt geplant und bald schon umgesetzt werden soll. Da hört man doch mit einem gewissen Unverständnis, dass einzelne lokale Energieversorger für Neubauten noch immer Gasheizungen propagieren anstatt sich mit nachhaltigen Konzepten für Erneuerbare zu profilieren. Es wäre wünschenswert, dass die Gasversorger einen anderen Zugang zu diesen Themen erhalten und nicht mehr alles auf die Karte Gas für den Wärmebedarf setzen. Ihr Ziel sollte nicht mehr eine möglichst grosse Zahl von Gas-Wärmebezügern sein, sondern die Versorgung von ganzen Quartieren mit Strom und Wärme über klug dimensionierte Blockheizkraftwerke, die am Schluss die Wärme über Wärmepumpen in die Haushalte bringen. Derartige Konzepte werden mithelfen, mögliche Stromengpässe am Ende des Winters zu reduzieren. Sie bringen auch mehr Akzeptanz für einen noch längerfristigen Betrieb des bestehenden Gasleitungsnetzes, das sich künftig sehr wohl auch für eine Befüllung mit anderen (nichtfossilen) Energieträgern eignen könnte.