Nach der grossen Ölkrise der Siebzigerjahre wollte der Bundesrat von der Dominanz des Erdöls in unserer Energieversorgung wegkommen. Er setzte auf Diversifikation, indem er den Bau von Gasleitungen forcierte. Gas war bis dahin eine dezentrale Angelegenheit. Grössere Städte und Gemeinden produzierten es aus Kohle, man nannte es deshalb „Stadtgas“.
Vom Stadtgas zur internationalen Gasverbindung
Zur breiteren Versorgung der Regionen der Schweiz begann Swissgas mit dem Leitungsbau und die Regionalgesellschaften stellten den Anschluss der Städte an dieses nationale Gasnetz sicher. Die internationale Anbindung wurde über die Transitgasleitung erreicht. In ihrer Startphase transportierte sie Gas aus Holland Richtung Schweiz und Italien. Die Mehrheit der Aktien an dieser grenzüberschreitenden Pipeline lag bei Swissgas, die Investitionen wurden aber zu 90% vom ENI-Konzern finanziert, weil sich dieser auch 90% des Durchleitungsvolumens sichern wollte. In den entsprechenden Verträgen mit dem Bund wurde aber für den Fall von Engpässen die prioritäre Belieferung der Schweiz mit Erdgas vorgegeben.
Eine (beinahe) unsichtbare Infrastruktur
Heute sieht man von dieser Gas-Infrastruktur kaum etwas. Die Rohre sind im Untergrund verlegt. Leidglich orange Signaltafeln in einem Abstand von einigen hundert Metern zeugen von deren Existenz. Diese Tafeln erlauben es, den genauen Verlauf der Gasleitungen zu verfolgen. So können im Ereignisfall rasch allfällige Lecks identifiziert und die betroffenen Leitungsabschnitte vom Gesamtsystem abgekoppelt werden.
Eine geglückte künstlerische Intervention
Diese orangen Tafeln waren bei den Bauern bisher nicht beliebt. Beim Pflügen mussten sie umfahren oder zur Seite gestellt werden, sie störten so eine effiziente Arbeitsweise. Oft blieben die Signale lange Zeit umgekippt im Feld oder Acker liegen. Inzwischen ist diese negative Haltung aber am Kippen: Der Künstler Daniel Ritter hat den Umschwung eingeleitet.
Signaltafeln nun bei Bauern und Vogelschützern beliebt
Die dreikantigen Signaltafeln sind oben mit Dornen bestückt, sodass die Vögel sich nicht setzen und die schön emaillierte orange Farbe verdrecken können. Daniel Ritter hat nun ein System mit einer Holzstange entwickelt, die an die Signaltafeln angeschraubt wird. Auf dieser Stange können es sich die Vögel bequem machen und die Tafeln bleiben sauber. Damit hat Ritter das Herz der Bauern gewonnen, denn an den Enden der Signaltafeln sitzen nun Raubvögel und andere gefiederte Tiere, beobachten die Wiesen sowie Äcker und dezimieren Mäuse und allerlei andere Schädlinge. Diese Aktion hat selbst die Vogelschutzorganisation Birdlife begeistert, sie berichtete in ihrer Mitgliederzeitschrift davon. Bereits hat der Künstler zusammen mit den Gasgesellschaften über 2000 Signaltafeln zu Vogellandeplätzen aufgewertet, was einer gezielten künstlerisch-praktischen Intervention in unserer Landschaft gleichkommt. Verschiedenste Fotografien dokumentieren diese Mutation: Am Tag aber auch in der Nacht werden die Signaltafeln von verschiedensten Vogelarten – von Mäusebussarden bis zu Schleiereulen – gerne genutzt.
Sind unsere Gasnetze ein Schatz im Untergrund oder eine Altlast?
Die Schweiz hat in den vergangenen 50 Jahren viel Geld in den Bau und Unterhalt des Erdgasnetzes investiert. Verschiedene Gruppen gehen davon aus, dass diese Leitungen im Zuge der Dekarbonisierung unseres Energiesystems schon bald überflüssig und damit wertlos werden. Doch ist dies realistisch?
Nur gerade beim Strom (26,8% des Gesamtkonsums) halten sich ja Produktion und Verbrauch in der Schweiz übers Jahr die Waage, sind wir also nicht auf Importe angewiesen. Auch im Jahre 2020 war aber die Schweiz (trotz pandemiebedingtem Verbrauchrückgangs bei der Energie für die Mobilität) zu über 70% vom Ausland abhängig, diese Energie muss also weiterhin in die Schweiz transportiert werden.
Energieversorgungssicherheit nur gemeinsam möglich
Auch wenn einzelne Gruppen weiter Autarkie-Träumen nachhängen: Wir werden die Energieversorgungssicherheit der Schweiz auch in Zukunft nur in engem Austausch mit unseren Nachbarländern, mit Europa und mit der Teilnahme an den internationalen Energiemärkten garantieren können. Und dabei können die existierenden Pipelines neben den Stromleitungen der Swissgrid eine wichtige Rolle spielen: sie sind wohl auch in Zukunft als kritische Infrastruktur ein Schatz im Untergrund. Unklar ist derzeit, ob sie erneuerbares Gas, grünen Wasserstoff oder gar CO2 transportieren werden. Aber speziell die Transitgasleitung ist dazu prädestiniert, weiterhin einen Ausgleich zwischen wichtigen europäischen Märkten sowie zwischen Produzenten- und Konsumentenländern sicherzustellen. Die Schweiz ist und bleibt eine internationale Energiedrehscheibe, was auch wesentlich zur Versorgungssicherheit der Schweiz beiträgt.