Vor einigen Tagen hat mir die BKW die Jahresrechnung 2016 für meinen Strombezug zugestellt. Viele Elektrizitätswerke verschicken Rechnungen, die nicht mal die Fachleute verstehen, weil sie derart kryptisch verfasst sind. Ein grosses Bravo der BKW: Erstmals ist diese Rechnung übersichtlich und transparent dargestellt, ich kann präzise sehen, wofür ich wieviel Franken bezahle.
Und da sind doch einige bemerkenswerte Entwicklungen festzustellen:
Als wir uns 2002, nach der Abstimmungsniederlage des Elektrizitätsmarktgesetzes, an die Arbeit für einen neuen Gesetzesvorschlag machten, gingen wir davon aus, dass die Kosten für das Stromnetz und die Energie je etwa 45% der Faktura ausmachen und die letzten 10% für Steuern auf den verschiedenen Ebenen sowie für Abgaben berappt werden müssen.
Ganz anders im Jahre 2016: Auf meiner Rechnung macht der Teil Netz 58% der Gesamtrechnung aus. Dank des Stromversorgungsgesetzes sowie verschiedener für mich nicht immer verständlicher Gerichtsentscheide hat der Netzteil auf der Rechnung also deutlich zugenommen. Da ich ein Grünstrombezüger bin, macht die Energie immerhin noch 32,9% der Gesamtrechnung aus. Würde ich aber Graustrom beziehen, beliefen sich die Energiekosten auf nur gerade 25,3% und die Netzkosten stellten über 65% der Jahresrechnung dar.
Dies ist aus zwei Gründen spannend:
- Je grösser der Anteil der Netzkosten, desto geringer sind die Risiken der tiefen oder schwankenden Strommarktpreise für das einzelne Elektrizitätswerk. Mit einem guten Netzunterhalt sowie einem vernünftigen WACC sind wir Kleinkunden heute schöne Ertragsperlen für die EVUs.
- Wenn der eigentliche Strom nur noch 25-35% der Gesamtkosten ausmacht und die Kilowattstunde auch für gefangene Kunden irgendwo zwischen 7 und 12 Rappen kostet, dann fragt es sich, ob sich da ein intensiver Wettbewerb lohnen würde. Den Löwenanteil am Kuchen erhält der Netzbetreiber, die Wechsel-Kunden würden Aufwand verursachen und die Marketingkosten würden wohl in keinem vernünftigen Verhältnis zu den möglichen Gewinnen stehen.
Mein erstes Fazit: Eine vollständige Strommarktöffnung wäre für die EVU kein Megaproblem, wie es einige gerne darstellen. Die Wechselraten werden klein bleiben, die Netzkosten dominieren: Da bleibt man im Normalfall lieber beim bisherigen Versorger.
Mein zweites Fazit: Schaue ich die restlichen rund 8% der Kosten unter der Rubrik «Abgaben und Leistungen» an, dann dominiert dort nicht der böse Netzzuschlag zur Finanzierung der KEV. Nein, grösser als der Netzzuschlag von 1,3 Rappen war im 2016 in Ittigen die Abgabe an die Gemeinde in der Höhe von 1,5 Rappen. Aber darüber beklagt sich niemand, obwohl das zumindest teilweise als indirekte Steuer zur Speisung der Gemeindekasse angesehen werden kann.
Wenn jetzt der Abstimmungskampf zum ersten Paket der Energiestrategie 2050 beginnt, dann sollten sich die Bürger nicht durch geschickt inszenierte Horrorszenarien und -zahlen erschrecken lassen, sondern in aller Ruhe einmal ihre letzte Stromrechnung studieren und überlegen, welchen Anteil die Stromrechnung an den gesamten Haushaltausgaben ausmacht. Für mich jedenfalls ist die BKW-Jahresrechnung für meinen (grünen) Stromkonsum deutlich tiefer als die Monatsprämie der Krankenkasse, obwohl ich nur allgemein versichert bin.
Ach ja, und zum Schluss noch dies: Anstatt uns über einige wenige Franken mehr für den Netzzuschlag* zu enervieren, sollten wir uns bewusst sein, dass die meisten von uns primär an einer hohen Versorgungsicherheit interessiert sind. Abende bei Kerzenlicht sind zwar romantisch, aber wenn es nach einem Stromausfall kalt und kälter würde und der Kochherd nicht mehr funktionierte, dann wäre wohl nicht nur ich bereit, subito massiv mehr für eine sichere Stromversorgung zu bezahlen…
*In habe einen Stromverbrauch von 906 Kilowattstunden im Jahr. Dafür habe ich 2016 knapp 12 Franken für den Netzzuschlag bezahlt (1,3 Rp./kWh), dieses Jahr werden es 13,60 Franken sein (1,5 Rp./kWh) und mit dem neuen Netzzuschlag gemäss Energiestrategie 2050 (2,3 Rp./kWh) zahle ich ab 2018 knapp 21 Franken pro Jahr, also 7 Franken mehr als 2017.