Ist Power-to-Gas die Lösung?

Vorerst gebe ich meine Interessenbindungen bekannt: Ich bin seit wenigen Wochen Mitglied des Verwaltungsrates von Fluxswiss und werde auch in den Transitgas-Verwaltungsrat eintreten. Ich habe mich verpflichtet, mich dort für eine erstklassige Gasversorgungssicherheit sowie die langfristigen finanziellen Interessen der mich delegierenden Pensionskassen und deren Bezüger (also Rentner wie ich) einzusetzen. Daneben bin ich beratend bei vier innovativen Start-ups im Energiesektor tätig und amte als Stiftungsratspräsident des Ökozentrums Langenbruck.

WKK macht Sinn

Wir bauen unser Energiesystem um. Das ist ein Prozess, der sich über Jahrzehnte erstrecken wird. Das Ziel ist klar: Die Energiewelt von morgen wird vollständig erneuerbar sein. Die Stichworte heissen mehr Effizienz, Dezentralisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung. Die Probleme sind die aktuell unvollständige Marktöffnung, die fehlende Einbindung in den europäischen Markt auf Augenhöhe sowie noch ungenügende Speicherkapazitäten über längere Zeiträume. Ich halte dafür, dass wir Gas noch während längerer Zeit im System belassen sollten, weil wir so Stromspitzen klug austarieren und gleichzeitig im Winter über Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) Wärme produzieren können. Gas kann damit zu einem wichtigen Speicher für die gesamte Energiewirtschaft werden.

Der Gaswirtschaft mag ein derartiges Szenario zwar gefallen, weil es mittelfristig Perspektiven gibt. Doch noch sind die meisten Gasversorger darauf aus, möglichst jedes neue Wohngebiet mit Gas zu erschliessen sowie möglichst keine erneuerbaren Energien als Wärmequelle in gasversorgte Quartiere reinzulassen – dies scheint mir die falsche Strategie. Einige wenige Gasversorger verstehen sich dagegen als Dienstleister und sind durchaus auch echte Förderer der Erneuerbaren. Sie bieten in ihrem Portfolio Gas als eine von verschiedenen Alternativen an, gekoppelt mit Effizienz sowie möglichst viel PV und Biomasse. Denn im Gassektor wird auch für den Wärmebereich zumindest teilweise Biogas zum Zug kommen Dafür braucht es jedoch gewaltige Investitionen in neue Produktionsanlagen, und insbesondere bei dezentralen landwirtschaftlichen Biogas-Projekten dürfte sich die Frage stellen, ob da je kostendeckend produziert werden kann.

Power-to-Gas vor dem Durchbruch?

Zumindest in der Übergangsphase zur neuen Energiewelt könnte Gas also als Speicherlösung eine wichtige Rolle spielen. In Solothurn hat die Regioenergie unter Felix Strässle in der Aarmatt eine erste Power-to-Gas-Anlage (P2G) realisiert, welche primär Versuchs- und Forschungszwecken dient. Überschüssigen, regional produzierten Strom dürfte es wohl erst gegen 2030 in genügenden Mengen geben, dass sich die Anlage profitabel betreiben lässt.

Aktuell liebäugeln nicht wenige Gasversorger mit einem P2G-Projekt. Ein Modetrend, bei dem der Imagegewinn über die Kostenrechnung gestellt wird. Wie vor wenigen Jahren in der Strombranche, als sich jeder zweite CEO subito einen Tesla anschaffen musste, überlegt sich nun beinahe jeder, ob er in die P2G-Technologie einsteigen soll.

An der e-world in Essen vom vergangenen Februar hatten die meisten Vertreter des Industrielands Nordrhein-Westfalen darauf hingewiesen, dass alle Power-to-X-Projekte derzeit noch weit von jeder Rentabilität entfernt sind. Sie legten dar, dass eine der wichtigsten Vorbedingungen die umfassende Reform der Abgaben, Entgelte sowie Umlagen sei, bei der insbesondere die CO2-Bepreisung einheitlich gelöst sein müsste – es müssen gleichlange Spiesse und damit marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Regulierung – weiter ein Fremdwort in der Gasbranche?

In der Schweiz meint die Branche hingegen, dass P2G-Anlagen bereits konkurrenzfähig wären, wenn sie – wie die Pumpspeicherkraftwerke – vom Netzentgelt befreit würden. Denn P2G müsse als Speichermedium gleich wie ein Stausee behandelt werden. Das mag auf den ersten Blick eine kleine und relativ leicht zu realisierende Forderung sein, doch steckt schon etwas mehr dahinter. Man kann nicht während Jahren die Öffnung sowie Regulierung des Gasmarktes gekonnt verzögern und gleichzeitig den uneingeschränkten Zugang zum umfassend regulierten Strommarkt fordern. Konsequent wäre, dass die Branche ihre eigenen Anstrengungen zur Marktöffnung wieder aufnehmen und sich parallel für eine rasche gesetzliche Regulierung des Gasmarktes aussprechen würde – wie dies auch wichtige Konsumentengruppen seit langem fordern. Ich bin gespannt, ob sich die Gaziers in diese Richtung bewegen.

Erscheint am 27. April 2018 im Energate Messenger