Eben komme ich zurück von der e-world in Essen, welche dieses Jahr ihr 20-Jahr-Jubiläum feiert. Ursprünglich war sie als Veranstaltung für die europäischen Händler von Strom und Gas konzipiert, die sich dort einmal im Jahr Face to Face treffen statt immer nur per Telefon und Fax miteinander kommunizieren sollten. Es waren feuchtfröhliche Begegnungen, die Zutrittskarten zu den bis in die Morgenstunden dauernden Partys waren mindestens so begehrt wie die Eintrittstickets zur Messe.
Heute: Eine breit aufgestellte Energiemesse
Inzwischen hat sich die e-world zusammen mit der Energiewirtschaft grundlegend verändert. Die Informatikbranche hat breit Einzug gehalten und immer mehr findet man auch Anbieter von Hardware in die Hallen: So präsentieren sich neben grossen und kleinen IT-Buden von SAP bis Adesso auch Siemens, ABB und all die andern. In den letzten Jahren kamen vorerst die Anbieter von Windparks und die Infrastrukturunternehmen aus dem Gassektor dazu, dann tauchten die grossen Unternehmensberater, die Anwaltskanzleien und die mitfinanzierenden Banken auf und nun mischen sich immer mehr Startups darunter.
Start-ups willkommen
In beinahe einer ganzen Halle präsentieren Jungunternehmen unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie ihre Produkte und Dienstleistungen. Zudem finden beispielsweise auf dem Stand von e.on und Innogy Referate von Startups statt, mit denen die ganz Grossen der Branche zusammenzuarbeiten beginnen. Wer hätte sich vor wenigen Jahren vorstellen können, dass die selbstbewusste ingenieurgetriebene e.on/Ruhrgas je mit pfiffigen Schweizer Startups wie Enersis oder Adaptricity kooperieren würde.
Wir sind alle smart
Kaum ein Stand, kaum ein Referat ohne den Begriff der «smart city». Jeder und jede versteht zwar etwas anderes unter diesem Modewort, doch allen gemeinsam ist, dass die Digitalisierung vorangetrieben und in einem – wohl mit 5G ausgerüsteten – urbanen Umfeld breit eingesetzt werden soll. Eine spannende Anwendung der dadurch möglichen Vernetzung war auf dem BKW-Stand zu sehen: alle Cimbali-Kaffeemaschinen in der Schweiz werden gemeinsam digital gesteuert und der dafür genutzte Strom intelligent gebündelt und Peaks sollen möglichst vermieden werden.
Smarte City mit Bürgern planen
Spannend waren auch diverse Konzepte für nachhaltige Energielösungen ganzer Quartiere und Städte, welche auf diesem Level dank Intelligenz, Netzen und Speicherung teils zu beinahe autarken Einheiten sich entwickeln sollen. Bemerkenswert auch die Bereitschaft, sich vermehrt mit der Akzeptanz von derartigen Ansätzen auseinanderzusetzen. Gemäss Professor Lietzmann von der Bergischen Universität muss die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger immer mehr zur Pflicht werden. In viertägigen Seminarien tauschen sich Experten und Bewohner aus und entwickeln gemeinsam Vorstellungen, welche Elemente für ein lebenswertes und nachhaltiges Quartier oder eine smarte city zentral sind. Volksabstimmungen dazu werden demgegenüber abgelehnt: das sei nach Professor Lietzmann oft zu emotional und der Otto Normalverbraucher als Stimmbürger zu wenig informiert (was wir in der Schweiz schon etwas anders sehen).
E-mobilität beginnt zu boomen
Angekommen ist nun auch in Deutschland die Elektromobilität, welche mit einer Vielzahl von Konzepten ausgerollt werden soll: Alpiq, e.on, innogy und all die andern versuchen sich mit eigenen Charging-Angeboten zu positionieren, sie kooperieren teils exklusiv mit einzelnen Autoherstellern wie VW oder Mercedes-Benz. Glücklich dürften also vorläufig Nutzer sein, wenn sie durch halb Europa fahren können, ohne eine Vielzahl von Cards besitzen und unterschiedlichste Ladesystemen verstehen zu müssen – da wird wohl noch eine Klärung sowie Bereinigung stattfinden müssen. Aber noch misstraut der deutsche Konsument den reinen E-mobilen. Vorläufig boomen vor allen die Hybridfahrzeuge, welche in der Innenstadt Strom verwenden, auf der Landstrasse aber als tonnenschwerer SUV auf die traditionellen fossilen Treibstoffe setzen.
Wasserstoff – der nächste Hype?
In Referaten von Wissenschaftern, von Firmen wie auch von Kommunen wurden verschiedenste Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff diskutiert. Denn überschüssiger Strom lässt sich dezentral wohl am ehesten in dieser Form speichern, aber neben grünem Wasserstoff (aus Erneuerbaren Energien) wird wohl auch blauer (aus Erdgas aber mit CO2-Abtrennung), türkiser (aus Pyrolyse) und grauer (nicht CO2-neutral hergestellt) vermehrt zum Einsatz kommen. Da wurden erste als Reallabor bezeichnete Wasserstoffquartiere in Esslingen und Kaisersesch vorgestellt, da wurden die Anwendungen in der Mobilität für LKW und PW präsentiert. Wasserstoff hat in Deutschland bereits auch im politischen Raum eine hohe Aufmerksamkeit: der Bund wie auch das Land Nordrhein-Westfalen haben je eine eigene Wasserstoffstrategie formuliert – nun müssen den Worten Taten folgen….