Von Irrlichtern und Powerhäusern

In den letzten Monaten lesen wir immer wieder Interviews und Texte mit der Botschaft „der Ausstieg aus der Atomenergie sei einer der dümmsten Entscheide der jüngeren Zeit“ (NZZaS 21. 4. 2019). Ähnliche Behauptungen, damals gekoppelt mit dem Hinweis, dass derartige Ereignisse nur im abgewirtschafteten Sowjetsystem möglich wären, begannen auch acht Jahre nach Tschernobyl die Runde zu machen. Sie führten in der Schweiz nach intensiven parlamentarischen Diskussionen dann 2003 zur Schaffung des Kernenergiegesetzes, welches neue Kraftwerke grundsätzlich möglich machte aber jedes einzelne dem fakultativen Referendum unterstellte. Man hielt dies für einen ausgezeichneten Kompromiss: die KKW-Befürworter gingen davon aus, dass mit dem Gespenst der drohenden höheren Strompreise sowie der gefährdeten Versorgungssicherheit jede Volksabstimmung zu gewinnen sei. Und so machten sich denn ATEL, Axpo und BKW vorerst daran, je separat ein neues Kernkraftwerk (korrekt Ersatzkernkraftwerk) zu planen, bis am 11. März 2011 mit Fukushima die Träume platzten und Millionen abgeschrieben werden mussten. Denn die damalige Analyse von Doris Leuthard, dass durch dieses Ereignis Volksmehrheiten für neue Kernkraftwerke auf Jahrzehnte verunmöglicht würden und absehbare neue Sicherheitsvorschriften zu höheren Kosten führen, dürfte noch auf Jahre Bestand haben.

Erneuerbare werden immer günstiger

Der damit eingeleitete Umbau der Energiesysteme hat eingesetzt und die preisliche Konkurrenzfähigkeit hat sich massiv verändert. Dezentral produzierte erneuerbare Energien, bei uns insbesondere Photovoltaik PV, ist auf dem Weg zur Netzparität, kostet den kleineren Endkonsumenten ähnlich viel/wenig wie zentral produzierter und über diverse Leitungsebenen transformierter Strom. An den weltbesten Standorten sind heute die Produktionskosten PV sowie Wind deutlich unter den Gestehungskosten von Strom aus Kernkraft-, Kohle- und Kombigaskraftwerken. Zudem sprechen die in die Produktionskosten der alten Technologien nicht oder zumindest nicht vollständig eingerechneten externen Effekte (CO2-Kosten) sowie Risiken (Versicherung GAU) für einen Switch zu den Erneuerbaren. Man kann auch davon ausgehen, dass durch intensive Forschung sowie kluge Anreize die aktuellen Herausforderungen Speicherung sowie Back-up in den nächsten Jahren gemeistert werden können.

Das neue Selbstverständnis von Swissnuclear

In der Schweiz hat sich ein Grossteil der Wirtschaft sowie insbesondere auch der Strombranche inzwischen für eine Unterstützung des durch den positiven Volksentscheid zur Energiestrategie 2050 skizzierten Wegs entschieden. Erfreulicherweise hat auch Swissnuclear, die Vereinigung der Kernkraftwerksbetreiber, sich ein neues Ziel gegeben: sie verstehen sich als Teil der Energiestrategie 2050 und setzen alles daran, in der Transitionsphase bis zur Vollversorgung mit Erneuerbaren die Schweiz sicher und zu angemessenen Preisen mit Strom aus den bestehenden Kernkraftwerken zu versorgen.

Irrlichternder Gewerbeverbandschef

Immer wieder irrlichternde Signale gibt demgegenüber der Präsident des Nuklearforums, Gewerbeverbandsdirektor Nationalrat Hans-Ulrich Bigler ab. Kernkraftwerke sind ja nicht Technologien, welche auf gewerblich dezentraler schweizerischer Produktion basieren, sondern da werden die meisten Teile sowie viele Arbeitnehmer für Bau, Jahres-Unterhalt und Stilllegung importiert. Es ist deshalb schon leicht verwunderlich, dass sich der Gewerbeverbandschef an die Spitze dieser Vereinigung setzt anstatt sich für die rasche und kostengünstige Umsetzung der Energiestrategie 2050 zu engagieren, welche ein eigentliches Beschäftigungsprogramm für viele gewerbliche Branchen darstellt. Da könnte sich der oberste Gewerbler beispielsweise mit einer aktiven Umsetzung der von vielen Branchenverbänden zusammen mit Doris Leuthard unterzeichneten Weiterbildungs-Charta Energie profilieren. Leider lässt es der nationale Gewerbeverband gar zu, dass auf kantonaler Ebene unter dem Einfluss der Öligen Referenden gegen die Umsetzung der Energiegesetze angezettelt und mit Unterstützung der KMU-Wirtschaft dank schrägen Behauptungen im Abstimmungskampf gewonnen werden.

Ein letztes Aufbäumen der Heizöl-Lobby?

Die Erdölvereinigung hatte vor einigen Jahren signalisiert, dass sie sich aus dem Wärmemarkt zurückziehen und auf die Mobilität focussieren möchte. Unter dem Einfluss des auf Heizöl ausgerichteten Teilverbands Swissoil (Präsident NR Albert Rösti) haben sich aber die Händler durchgesetzt und starten wieder Werbekampagnen sowie Lobbying auf kantonaler Ebene für den Ersatz von Ölheizungen durch neue Ölheizungen. Aber wie schrieb doch die NZZaS im Januar: „Solarpanels und Wärmepumpen befreien die Schweiz vom Heizöl“. Die aktuell mit der CO2-Gesetzesrevision geplanten Erhöhungen der CO2-Abgabe werden diesen Ausstieg begünstigen.

EVUs mehr als Verkäufer von Strom und Gas

Die rasch sinkenden Kosten für Photovoltaik zusammen mit den neuen auf die Produktion von Strom als Eigenkonsum und Nachbarschaftsprojekte ausgelegten Regulierungen bringen die Energieversorger in eine ganz neue Rolle. Sie könnten sich mehr und mehr als Generalunternehmen für Energiedienstleistungen positionieren und sich mit Strom-, Wärme- und Kältelösungen für Häuser, Gebäudeparks sowie ganze Quartiere profilieren. Die ersten Energieversorger richten sich darauf aus und überraschen Bauherren, Entwickler sowie Architekten mit ganzheitlichen Lösungen, welche Produktion, Verbrauch und Effizienz klug kombinieren und daraus massgeschneiderte Angebote für Konsumenten und Immobilieninvestoren machen.

EVUs als Powerhäuser der smart city

In diesen EVUs wird Kompetenz gebündelt, zwar ist meist nicht alles inhouse vorhanden, sondern wird projektweise mit Know-how innovativer Ingenieur- und Beratungsbüros gepaart sowie pfiffigen IT-unterstützten Start-uplösungen gekoppelt. Das ist wohl der pragmatische Schweizer Weg zur smart-city, in welcher die Schweizer Energieversorger (sowie ihre Eigentümer) die Wahl haben, sich als voll digitalisiertes EVU 4.0 oder als auf die traditionelles Netzaufgaben focussiertes EVU 1.0 aufzustellen. Der Weg zum EVU 4.0 braucht Ressourcen, Kreativität, Durchhaltewillen und die Bereitschaft, Rückschläge auszuhalten – sowohl bei den Führungsteams wie auch bei den Eigentümern, denn es werden wohl nicht alle ans Ziel kommen…

Erscheint am 25. April 2019 im Energate Messenger 

Umbau der Energiesysteme: Ein Vergleich zwischen Deutschland und der Schweiz

Mein Besuch der Messe e-world, die im Februar in Essen stattgefunden hat, hat sich gelohnt. Interessant war, wie sich Schweizer Firmen im europäischen Umfeld präsentieren, aber auch die Informationen zu den neusten Entwicklungen in der deutschen Energiepolitik. Grund genug, einen Vergleich zwischen den energiepolitischen Ansätzen der Schweiz und Deutschlands zu ziehen.

2022, 2030 und 2038 – Die zentralen Meilensteine

Deutschland hat seit den Entscheiden der Kohlekommission drei fixe Daten für die Energiezukunft: Ende 2022 soll der Ausstieg aus der Kernenergie vollzogen sein, Ende 2030 sollen 65% des Stroms erneuerbar produziert werden und 2038 soll der Ausstieg aus der Kohleverstromung geschafft sein. Der Ausstieg aus der Kernkraft war 2011 innert weniger Wochen von der Koalitionsregierung, nicht zuletzt auf Druck der CSU, fixiert worden. Im Gegensatz dazu hat für den Kohleausstieg eine breit zusammengesetzte Kommission monatelang gerechnet, gefightet und sich dann auf das Datum 2038 geeinigt. Dieses muss nun aber noch von Regierung und Parlament abgesegnet werden. Zu diesem zeitlich grosszügig bemessenen Kompromiss beigetragen haben neben regionalwirtschaftlichen Überlegungen auch Fragen der Versorgungssicherheit: Immerhin basiert die gesamte deutsche Stromproduktion zu 43,5% auf Kohle.

Umfassende Anpassungsbeihilfen

Die betroffenen Regionen im Osten Deutschlands sowie in Nordrhein-Westfalen lassen sich diesen Ausstieg vergolden. Sie erhalten aus dem Bundeshaushalt breitangelegte Unterstützungen für die Ansiedelung neuer Industrien. So soll beispielsweise die erste grosse Batteriefabrik neuster Technologie dort produzieren. Und für die vom stufenweisen Abbau betroffenen Arbeitnehmenden werden Übergangsrenten zur Verfügung gestellt. Daneben können die Besitzer der vorzeitig ausgemusterten Kohlemeiler Forderungen wegen entgangener Gewinne stellen, welche ebenfalls vom Staat kompensiert werden.

Was folgt auf die Kohle?

Natürlich würde man annehmen, dass bei diesem immerhin auf neunzehn Jahre angelegten Switch weg von der Kohle direkt in zusätzliche Erneuerbare investiert und damit die grüne Vollversorgung vorweggenommen würde. Doch Gespräche zeigen, dass man die wegfallenden Kohlemeiler zu einem nicht kleinen Teil mit neuen Gaskraftwerken ersetzen will. Man traut sich also derzeit in unserem Nachbarland noch nicht, den Umstieg in einem Schritt zu machen. Vielmehr wird mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die Stabilität der Netze während einer Übergangsperiode explizit auf neue Gaskraftwerke gesetzt. Nur am Rande sei erwähnt, dass mit Blick auf die Netzstabilität in der Umgebung von München in den nächsten Jahren ein neues Reserve-Gaskraftwerk von Uniper zur Aufrechterhaltung der regionalen Versorgungssicherheit gebaut wird. Dies obwohl daneben zwei beinahe neue Gaskraftwerke eingemottet sind und wieder in Betrieb genommen werden könnten.

Sektorkopplung als Herausforderung oder Chance?

Auch in Deutschland wird immer klarer, dass die Sektorkopplung zu einem zentralen Thema wird, weil Energie als Gesamtsystem mit den Sparten Strom, Wärme sowie Verkehr bewirtschaftet werden muss. In dieser Gesamtbetrachtung kann Gas – erneuerbar oder nicht – eine wichtige Rolle spielen. Dies, weil es bei der Speicherung sowie beim Transport über lange Strecken grosse Vorteile hat und bestehende Infrastrukturen genutzt werden können. Auch in der Schweiz sollten vermehrt Überlegungen angestellt werden, welche Rolle Gas in der Transformationsphase spielen kann und soll. Insbesondere die dezentrale Nutzung von Gas in quartierbezogenen WKK-Anlagen könnte mithelfen, Stromspitzen zu brechen und dezentral zur Netzstabilität beizutragen.

Deutsche CO2-Politik wenig erfolgreich

Die Schweiz hat wie Deutschland ein langfristiges Ziel: Im Jahre 2050 soll der Energiesektor möglichst erneuerbar und CO2-frei sein. Deutschland hat mit seinen Regierungskoalitionen sowie seinem Politikverständnis den Ansatz, jeden Schritt terminlich definitiv zu fixieren, alles unverrückbar als Gesetz festzuschreiben und die mehr oder weniger nötigen Entschädigungen für die Betroffenen zulasten der Steuerzahler grosszügig zu sprechen. Deutschland wird nicht zufälligerweise die für 2020 gesetzten CO2-Ziele verfehlen und auch die ambitiösen Vorgaben für 2030 dürften wohl nur schwer erreichbar sein. Zu stark hat man auf Einzelinteressen sowie einzelne Bundesländer Rücksicht genommen und zu wenig eine Gesamtstrategie verfolgt.

Schweizer Energiepolitik langsamer und flexibler

In unserem System, in welchem nicht Regierungskoalitionen kurzfristig entscheiden können, sondern im Parlament und beim Volk Mehrheiten fallweise gefunden werden müssen, gehen die politischen Prozesse länger und es werden weniger Abfindungen und Umstrukturierungsbeihilfen gezahlt. Man hat nicht den Anspruch, unter Federführung des Staates alles definitiv in Stein zu meisseln, sondern nähert sich schrittweise dem Ziel an. Die Energiestrategie 2050 enthält deshalb ein jährliches Monitoring sowie im Fünfjahreszyklus einen Rapport ans Parlament. Das ist die Grundlage für Vorschläge, bisher eingesetzte Instrumente zu streichen und neue Massnahmen festzulegen. Es ist ein pragmatischer Ansatz, welcher konzeptuell auf Veränderungen rasch reagieren kann und möglichst viele Optionen offenhält.
Verständlich deshalb, dass bei der aktuellen Revision des Stromversorgungsgesetzes die Frage nach weiteren Instrumenten zur Erhöhung der Versorgungssicherheit gestellt wird. Plausibel ist, dass eine strategische Reserve vorgeschlagen wird, um mögliche saisonale Risiken während der letzten Wintermonate abzudecken.

Ist die Schweiz auf dem Weg zu einem neuen Interventionismus nach deutschem Vorbild?

Mehr als fragwürdig ist demgegenüber die Tendenz, nun gleich auf Panik zu machen und weitere Fördermittel zur Aufrechterhaltung der Wasserkraft oder zum technologieneutralen Zubau weiterer Kapazitäten zu verlangen wie dies verschiedenen Player bis hin zur ElCom erwägen. Die Schweiz sollte bei ihren Konzepten zur Versorgungssicherheit auf die Integration in den sich immer stärker etablierenden europäischen Strombinnenmarkt setzen und davon ausgehen, dass ein Grossteil der in der Schweiz zu tätigenden Investitionen in die Wasserkraft sowie andere Technologien auf lange Sicht rentabel ist; dafür lassen sich langfristig orientierte institutionelle Investoren wie Pensionskassen finden. Natürlich ist es verführerisch, wie in Deutschland auf zusätzliche staatliche Interventionen zu setzen und sich die unternehmerischen Risiken vom Staat absichern zu lassen. Aber langfristig werden dadurch die Märkte mehr und mehr ausgehebelt und die Kostenwahrheit mit Füssen getreten – Versorgungssicherheit wird dadurch immer teurer und die Wünsche der Konsumenten wie auch die Anliegen des Klimaschutzes gelangen leicht unter die Räder.

Steuern und Wasserzinsen sind siamesische Zwillinge

Ich kann mich noch gut erinnern: Es war an einem Freitag vor mehr als einem Dutzend Jahren. Ich hatte mich auf 18 Uhr mit dem CEO eines grossen Schweizer Stromunternehmens in einem Solothurner Restaurant verabredet, um gemeinsam die neusten Entwicklungen in der EU zu diskutieren und die aktuellen schweizerischen energiepolitischen Dossiers zu erörtern. Ich wartete und wartete, der Mann erschien dann mit mehr als zweistündiger Verspätung. Er hatte an der Generalversammlung einer Walliser Stromproduktionsfirma teilgenommen, normalerweise eine Pflichtübung, welche nicht mehr als eine halbe Stunde dauerte. Diesmal waren für die Bewältigung der Traktandenliste aber mehr als zweieinhalb Stunden nötig, weil sich neue Player zeigten.

Die Gebrüder B. geben den Takt an…

Die Gebrüder B. (Walliser Anwälte und Hoteliers) hatten einige Aktien der Firma erworben und verlangten nun an der GV eine radikal andere Besteuerung der damals immensen Gewinne der grossen Stromfirmen. Der im Wallis produzierte Strom aus Wasserkraft sollte nicht mehr zu den Produktionskosten inklusive einer kleinen Marge ins Mittelland verkauft werden, wo dann die grossen Handelsgewinne an den Sitzen der Konzerngesellschaften in Lausanne, Olten, Bern, Baden, etc. anfielen und zu schönen Steuereinnahmen für die Mittellandkantone und Städte führte. Die beiden B. verlangten, dass die Hälfte der anfallenden Handelsgewinne an den Produktionsorten in den Bergkantonen zu versteuern sei.

Ein Dilemma: Auf Wasserzinsen oder Steuern setzen?

Der Vorschlag der B-Brothers war eine durchaus revolutionäre Forderung, welche von den CEO der Stromkonzerne nach Rücksprache mit den Finanzdirektoren der Talkantone Waadt, Bern, Basel, Zürich, Aargau und vor allem auch Solothurn bald einmal abgelehnt wurde. Man vertröstete die Bergkantone auf die geplante Erhöhung der Wasserzinsen: Das seien anerkannte Teile der Produktionskosten, das sei also sicheres Geld unabhängig von den allenfalls stark schwankenden Gewinnen der Stromkonzerne. Das BFE, das die damals zur Diskussion stehende Erhöhung der Wasserzinsen bearbeitete, hätte gerne ein Splitting der Gewinne gesehen, weil dies dem Ausgleich zwischen den Kantonen dienlich gewesen wäre. Doch die Mittellandkantone blieben hart: Diese Gewinne fliessen in unsere Staatskassen. Und so wurde der Wasserzins trotz massiv sinkenden Strommarktpreisen per 1. Januar 2011 von 80 auf 100 Fr/kW und per 1. Januar 2015 gar auf 110 Fr./kW erhöht, was die Bergkantone freute.

Die Musik spielt weiter…..

Im Hintergrund gingen die Diskussionen über die Aufteilung der Gewinne aus dem Handelsgeschäft zwischen den Finanzdirektoren der Berg- und Mittellandkantone weiter. Irgendwann im Jahre 2013 brach der zuständige Solothurner Regierungsrat Christian Wanner (gleichzeitig Alpiq-VR-Vizepräsident) die Verhandlungen ab, weil er keinen Sinn mehr sah.

Der Kanton Wallis hat als Konsequenz dieses Solothurner Verhandlungsausstiegs 2014 die dort produzierenden Alpiq-Gesellschaften nach „seiner“ Formel besteuert: Der Strom wird steuerlich als Exportprodukt angesehen, das an eine Drittfirma (die Konzernmutter) in einem anderen Kanton verkauft wird. Die Gewinne fallen damit grossteils im Wallis an und werden entsprechend besteuert – neckischerweise wurde dies gleich rückwirkend bis zum Jahre 2009 verfügt.

Welcher Melodie folgen die Gerichte?

Dieser Streit ist noch immer bei den Gerichten hängig. Vermutlich wird das Bundesgericht im Jahre 2019 entscheiden. Doch die Stimmung ist auch in den Mittellandkantonen am Kippen: Heute wünschen sich die Mittellandkantone für die noch immer in ihrem Besitz befindlichen Stromkonzerne zuerst und vor allem flexible Wasserzinsen, denn Handelsgewinne sind in den letzten Jahren kaum mehr in grossem Umfang angefallen, sodass auch kaum Steuereingänge zu verzeichnen waren.

Da stellen sich doch einige Fragen: Was passiert, wenn die Gerichte dem Kanton Wallis und den Bergkantonen ganz oder teilweise recht geben? Hätten Alpiq und andere Stromfirmen allenfalls rückwirkend bis 2009 eine Doppelbesteuerung zu akzeptieren? Wie müssten allenfalls bereits in den Mittellandkantonen vereinnahmte Steuern an das Wallis und seine Gemeinden weitergeleitet werden? Müssen gar Leistungen einzelner Kantone und Städte zurückgefahren werden, weil das Geld der Vorjahre fehlt?

Zeit für eine neue, harmonische Berg- und Tal-Melodie

Es ist wohl an der Zeit, jetzt einen Kompromiss zwischen den Berg- und Mittellandkantonen über die künftige Besteuerung der Gewinne aus dem Handel mit Strom aus Schweizer Wasserkraft zu finden (denn bessere Zeiten dämmern bereits am Horizont). Die aktuelle Debatte im Parlament zu den Wasserzinsen, dem siamesischen Zwilling der Steuern, könnte dadurch nur gewinnen: wer an eventuell bald wieder schönen Gewinnen partizipieren will, tut gut daran, bei den Wasserzinsen eine bestimmte Flexibilität zu zeigen.

 

Erscheint im Energate Messenger

Von BDL zu BSS

Die Schlüssel sind übergeben: Bundesrätin Doris Leuthard (BDL) hat die Leitung des UVEK abgegeben, Bundesrätin Simonetta Sommaruga (BSS) übernimmt offiziell ab 1. Januar 2019. Nicht wenige Leute haben mich in den letzten Wochen gefragt, wie die Zusammenarbeit mit Doris Leuthard war, andere haben im Gespräch mit mir gerätselt, was sich im Infrastrukturdepartement unter BSS wohl ändern werde.

BDL als Chefin und Motivatorin

Ich habe Doris Leuthard als erstklassige Chefin erlebt. Sie erwartete von ihren Mitarbeitern viel, sie lebte dieses konstant hohe Engagement aber auch vor. Sie wollte etwas bewegen für unser Land, setzte hohe Ziele und ging immer mit viel Elan voran. Sie konnte die Leute motivieren wie kaum eine andere. Wenn sich die Mitarbeitenden des UVEK jeweils am Ende der Sommerpause zum Campusfest trafen, trat sie ans Mikrophon. Sie erklärte ihre Schwerpunkte für die zweite Jahreshälfte, spielend wechselnd zwischen Deutsch, Französisch und Italienisch, sie dankte allen Mitarbeitenden für die erbrachten Leistungen, und spornte an, auch in den kommenden Monaten das Beste zu geben, damit die Dossiers vorankommen.

BDL die Analystin

Daneben überzeugte sie immer wieder als brillante Analystin. 48 Stunden nach der Katastrophe von Fukushima liess sie sich von ENSI und BFE über den Stand der Dinge orientieren. Sie konstatierte darauf, dass nun wohl für lange Zeit keine Volksmehrheiten für neue Kernkraftwerke zustande kommen würden und die auf dem Tisch liegenden Gesuche für neue Kernkraftwerke entsprechend zu sistieren sind. Es sei nun Zeit, so ihre Analyse, sich von den bisherigen Konzepten zu lösen, die Machbarkeit neuer Wege auszuloten und völlig neue Denkansätze zu verfolgen.

BDL als Kompromissfinderin

Wenn sie von einem Projekt überzeugt war, dann suchte sie Mehrheiten. Die Ämter hatten vorerst die Aufgabe, mit den wesentlichen Akteuren ausgewogene Lösungen zu erarbeiten. Mit runden Tischen, Gesprächen in kleinen Runden, Vieraugentreffen trieb sie diese Lösungsfindung voran, fand dabei oft innovative Ansätze, denen viele oder gar alle zustimmen konnten. Grundlage dafür war, dass BDL stets ausgezeichnete Dossierkenntnisse hatte. Eine Kollegin sagte mal, BDL sei eine Papierfresserin, man könne ihr am Freitag 200 Seiten Text zustellen und am Montag habe sie alles gelesen und meinte, ob man jenen Punkt auf Seite 180 nicht anders formulieren sollte, um verständlicher zu sein.

BDL als Repräsentantin der Schweiz

Sie liebte thematische Auslandreisen mit Delegationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, denn sie wusste, wie wichtig die internationale Vernetzung für unser kleines Land ist. Es waren alles andere als Vergnügungsreisen. Meist kam man gegen Morgen in einem fremden Land an und konnte dann nicht ins Bett kriechen, sondern begann um 7 oder 8 Uhr mit dem ersten Briefing sowie dem Besuch eines Ministers oder einer Handelskammer. Abends diskutierte man oft noch spät mit ihr bei einem letzten Bier an der Bar. Doch konnte man gewiss sein, dass BDL am folgenden Morgen frisch und aufgeräumt wieder die nächsten Sitzungen präsidierte. In erstklassigem Englisch brachte sie die Themen auf den Punkt und schaffte bei den Vertretern der Gegenseite Wohlwollen für die Schweizer Anliegen. Und es gab Sitzung um Sitzung, Besichtigung um Besichtigung – ein Marathonprogramm. Nicht wenige Wirtschaftsführer meinten jeweils, die Delegationsreisen anderer Bundesräte seien deutlich weniger anstrengend….

Die Medien haben in den letzten Wochen verschiedentlich betont, dass BDL eine aussergewöhnliche Bundesrätin war. Dies würden wohl auch beinahe alle Mitarbeitenden des UVEK unterschreiben. Sie ist brillant, charmant, witzig, einfühlsam, hat eine feine Nase für Veränderungen, kann Kompromisse zimmern und Leute zu Höchstleistungen anspornen.

BSS ante portas

Simonetta Sommaruga hat in den letzten Wochen des Öfteren betont, sie kehre zu ihren Wurzeln zurück. Sie war ja als Parlamentarierin Mitglied der Umwelt-Raumplanungs- und Energiekommission UREK und hat dort unter anderem das Stromversorgungsgesetz mitgestaltet. Aus dieser Zeit stammt ein Instrument, das wir ihr zu verdanken haben. Ständerätin Simonetta Sommaruga stimmte allen Fördermassnahmen für Erneuerbare zu, hielt aber fest, dass davon primär die Eigenheimbesitzer sowie Firmen profitieren könnten. Als Vertreterin der Konsumenten sowie Mieterinnen müsse sie aber auch ihren Gruppen einen Vorteil aufzeigen können. In der Folge wurde das BFE beauftragt, einen Vorschlag zu erarbeiten. Wir präsentierten das Konzept der wettbewerblichen Ausschreibungen für Energieeffizienzmassnahmen, mit welchem Stromeinsparungen bei Geräten, Apparaten und auch im Beleuchtungssektor finanziell unterstützt werden können. Die anderen Kommissionsmitglieder stimmten diesem Begehren von Simonetta Sommaruga zu, es wurde von beiden Räten am Schluss akzeptiert. Dieses Programm weist heute eine sehr gute Erfolgsbilanz aus und wurde inzwischen als Modell auch von Deutschland sowie anderen Ländern übernommen.

BSS: Der Tesla als Symbol für Kontinuität

Simonetta Sommaruga hat in einem der ersten Interviews betont, dass sie den TESLA-Dienstwagen von Doris Leuthard mitsamt dem kompetenten Chauffeur Fritz Hofmann übernehmen werde. Sie legt also Wert auf Kontinuität, sie wird wohl kaum sofort grosse Neuerungen und Reorganisationen umsetzen. Das ist gut so, denn ein Grossteil der Dossiers ist auf Kurs und wesentliche Gesetzesgrundlagen sind in den letzten Jahren unter Doris Leuthard geschaffen worden. Ich sehe aber zwei Dinge, die von BSS vertieft geprüft werden sollten:

Schaffung eines Staatssekretariats für Verkehr?

Ende August hat der Bundesrat den Auftrag gegeben, mögliche Synergien im Bereich von Verkehr und Raumordnung zu evaluieren und die Schaffung eines Staatssekretariats für Verkehr zu prüfen. Dabei dürfte es wohl weniger um die Schaffung eines Mammutbereichs à la Seco gehen, indem die Ämter für Strassen, Verkehr, Luftfahrt und Raumentwicklung fusioniert werden. Vielmehr sollten Varianten zum Zuge kommen, welche die departementsnahe Grundlagenarbeit einer Gesamtverkehrskonzeption und der Raumentwicklung sowie die bessere internationale Vertretung der Themen durch einen Staatssekretär ermöglichen.

Klima und Energie gehören zusammen!

Klimapolitik ist zu 80% identisch mit Energiepolitik, weil bei Produktion und Verbrauch von Energie CO2 ausgestossen wird. Die Klimapolitik ist aber im Bundesamt für Umwelt angesiedelt, was immer wieder zu Doppelspurigkeiten und Konflikten führte. Doris Leuthard wollte die Klimagruppe des BAFU nicht ins Bundesamt für Energie verpflanzen, damit das BAFU nicht nur Schutzfunktionen wie den Erhalt von Wolf, Bär, Luchs und Landschaften zu vollziehen hat sondern auch in zumindest einem Bereich einen direkten Kontakt mit der Wirtschaft hat. Wenn man das Trauerspiel der letzten Monate um die Revision des CO2-Gesetzes ansieht, dann besteht Anlass, diesen Ansatz kritisch zu überprüfen. Eine Bündelung der Kräfte und Kompetenzen im wirtschaftsnäheren Energieamt könnte eine neue Dynamik in der Klimapolitik entfalten und mittelfristig wohl gar Ressourcen einsparen helfen.

Wer soll für die Stromversorgung der Berggebiete bezahlen?

Es war wieder mal eine jener Schlagzeilen, welche viel versprechen, aber dann im Text recht wenig Substanz enthalten. „Stromversorger nutzen ihr Monopol für Profite aus“, lautete die Headline im Tagesanzeiger und Bund, da würde Profitmaximierung auf dem Buckel der Konsumenten betrieben. Ja, wir wissen: Netze sind Monopole, aber genau deshalb werden die Profite auch staatlich gedeckelt, die Kosten mitsamt der Kapitalrendite werden vom Regulator ElCom umfassend kontrolliert und bei Bedarf gesenkt. Die Kapitalrendite wird übrigens vom Bund festgelegt, sie liegt aktuell für einen Mix aus Fremd- und Eigenkapital bei 3,83 %.

Die Versorgung der Berggebiete ist kostspielig

Verglichen wurden in besagtem Artikel insbesondere die Netznutzungstarife von BKW und EKZ und da stand BKW mit ihren weit höheren Kosten nicht sehr gut da. Behauptet wurde keck, dies sei Folge der synthetischen Bewertungsmethode sowie der Möglichkeit des zweimaligen Abschreibens. Nachdem dies zweimal in grossen Artikeln ausgerollt worden war, stellte BKW die Fakten zusammen und legte glaubwürdig dar, dass primär das grosse Versorgungsgebiet mit teils wenig besiedelten Gebieten in den Alpen, Voralpen und im Jura für diese höheren Netzkosten verantwortlich sind. Denn der Bau jedes Kilometers Leitung kostet nun mal im hügeligen Gebiet deutlich mehr und meist sind am Ende der Leitung kleine Dörfer mit wenigen Haushalten oder gar nur einige wenige Bauernhöfe, die teils zusätzlich dank Photovoltaik viel Eigenproduktion haben und deshalb nur wenig Strom über das Netz beziehen.

Von BKW belieferte Berner Gemeinden müssen bezahlen

Bau und Unterhalt dieser Leitungen in wenig besiedelten Gebieten sind teuer, mitberappen müssen dies alle Kunden in den von der BKW belieferten Berner Gemeinden: der Netznutzungstarif liegt bei 12.43 Rp/kWh. Demgegenüber liegt dieser Tarif in der Stadt Bern bei nur gerade 7,94 Rp/kWh oder in Biglen gar bei 6,12 Rp/kWh.
Stadtnahe Grossgemeinden rund um Bern, welche von der BKW versorgt werden, haben also einen schönen Teil der Kosten für die Stromversorgung peripherer Regionen des Kantons zu tragen. Demgegenüber beteiligen sich die Kantonshauptstadt, Thun und Biel sowie einzelne kleine Gemeinden wie Biglen nicht an diesem „Finanzausgleich“, sie können deshalb supergünstige Durchleitungskonditionen anbieten. Das ist alles andere als gerecht.

Kantone müssen aktiv werden

Das Stromversorgungsgesetz legt in Artikel 14 Absatz 4 fest: „Die Kantone treffen die geeigneten Massnahmen zur Angleichung unverhältnismässiger Unterschiede der Netznutzungstarife in ihrem Gebiet“. Wenn in einem Grossteil der Gemeinden die Netznutzungstarife mehr als doppelt so hoch sind wie in den günstigsten, dann muss der Kanton aktiv werden. Vorerst hat zwar der Regulator ElCom zu bestätigen, dass es sich um effizient betriebene Netze handelt, aber anschliessend liegt der Ball bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern. Denn Solidarität mit den Berggebieten darf auch im Kanton Bern nicht auf einzelne von BKW mit Strom belieferte Gemeinden beschränkt sein, sondern muss von den Stromkonsumenten aller Städte sowie Gemeinden gemeinsam getragen werden.

 

Erscheint am 29. November 2018 im Energate Messenger

Die alten Argumente stechen nicht mehr

Die Diskussion zur vollständigen Öffnung des Strommarktes ist mit der Vernehmlassung zur Revision des StromVG lanciert. Viele Organisationen brachten in den letzten Tagen dieselben Argumente und Denkmuster wie vor zehn und zwanzig Jahren. Zwei Dinge haben sich aber inzwischen radikal verändert.

Innovationen und Start-ups haben es schwer
In den vergangenen zwanzig Jahren haben Hochschulen und Jungunternehmen in der Schweiz zahllose Innovationen, darunter bahnbrechende digitale Lösungen entwickelt. Ich habe unterschiedlichste Start-ups beobachtet und dabei festgestellt, dass ihre Perspektiven wegen des fehlenden marktseitigen Drucks ungünstig bis tödlich sind. Sie werden von den Schweizer EVUs zwar angehört, es wird Interesse bekundet, aber am Schluss fehlt der wettbewerbliche Druck, diese Neuheiten auch wirklich zu testen, zu verbessern und dann breit im Markt auszurollen.

Wachstum in Europa statt in der Schweiz
Also müssen diese Start-ups abseits ihres Heimmarktes in Deutschland, Niederlande, Österreich etc. erste Erfahrungen sammeln. Mehr als eines dieser Jungunternehmen befindet sich inzwischen auch im Besitz ausländischer Stromfirmen, welche die pfiffigen Vorteile der bei uns entwickelten Lösungen nun nutzen. Bei uns sind die meisten EVUs auf das Abwarten konzentriert, was einen breiten Roll-out neuer Technologien und digitaler Lösungen massiv behindert. Erst die vollständige Marktöffnung wird da Abhilfe schaffen.

Die Mär vom Lohndumping
Seit zwanzig Jahren behaupten die Gewerkschaften, dass jede Marktöffnung zu einer Kannibalisierung auf dem Arbeitsmarkt führe: Arbeitsplätze würden abgebaut, die Lohn- und Arbeitsbedingungen verschlechtert und ausländische Tieflohnanbieter würden bei Ausschreibungen das Rennen machen. Fakt ist aber, dass die EVUs zu rund 90% in öffentlicher Hand sind und eine massive Reduktion der Löhne deshalb kaum vorstellbar ist. Zudem brauchen die EVUs aktuell und künftig sogar mehr Arbeitnehmer, um in den Netzen die Integration der erneuerbaren Energien sowie die Digitalisierung voranzubringen. Solche gut qualifizierten Fachleute lockt man nur mit guten Arbeits- und Lohnbedingungen an.
Am ehesten könnten wohl Dumpingangebote ausländischer Billiglohnanbieter in der Freileitungsbranche zu einem Problem werden. Dort geht es um grosse Projekte für neue Freileitungen und Kabelnetze, welche auch von ausländischen Montagetrupps erstellt werden könnten.

Ein GAV bringt den Vertragsparteien sowie Arbeitnehmern Schutz….
Vor Jahren schon hatte das BFE bei den in der Schweiz tätigen Freileitungs- und Kabelbaufirmen angeregt, zusammen mit den Gewerkschaften einen Gesamtarbeitsvertrag GAV auszuhandeln. Darin sollten Minimalkonditionen für alle in der Branche Tätigen fixiert werden. Im Jahre 2016 einigten sich Arbeitgeber sowie Syndicom auf einheitliche Bedingungen für Arbeitszeiten, Löhne, Ferien, Zulagen für Nacht-, Schicht- und Sonntagsarbeit, welche für alle Mitgliedfirmen sowie Arbeitnehmer gültig sind. Doch damit war der Schutz gegenüber ausländischen Tieflohnangeboten noch nicht gewährleistet.

….der Bundesrat erklärt ihn als obligatorisch
Ende September 2018 hat nun der Bundesrat diesen GAV als allgemeinverbindlich erklärt. Damit müssen diese Lohn- und Arbeitsbedingungen von allen in der Schweiz in diesem Bereich tätigen Firmen und insbesondere auch von Firmen im Ausland, welche Projekte in der Schweiz realisieren wollen, eingehalten werden. Deshalb wird sich das Märchen von den bösen Polen, Tschechen, Ukrainern etc., welche als Folge der Marktöffnung mit Discountofferten die Löhne sowie Arbeitsbedingungen unserer Freileitungsmonteure gefährden, künftig in den politischen Diskussionen nicht mehr erzählen lassen.

Der liebe VSE steht leider abseits
Jene Bereiche, welche am ehesten von der ausländischen Konkurrenz mit möglichen Tieflohnangeboten betroffen wären, haben also eine kluge Lösung gefunden. Es wäre ein Leichtes, dies auch auf die gesamte Strom- und Gasbranche auszudehnen, wenn nur der VSE dies wollte. Er aber versteht sich im Gegensatz zu anderen Branchenorganisationen noch immer nicht als Arbeitgeberverband und erklärt sich deshalb für nicht zuständig. Wenn man aber die Veranstaltungen des VSE betrachtet, dann wird klar, dass er bereits verschiedenste Funktionen wahrnimmt: Organisation von Jubilarenfahrten, Kurse in betrieblichem Gesundheitsmanagement, Tagungen zu Perspektiven 58plus oder auch diverse Weiterbildungsangebote. Das sind typische Produkte eines Arbeitgeberverbands. Den besten Beitrag, den der VSE jetzt zum Gelingen der vollständigen Marktöffnung leisten könnte, wäre der Beginn von Verhandlungen über einen GAV.

Erscheint am 25. Oktober 2018 im Energate Messenger

E-Mobilität vor dem Durchbruch?

Ich bin seit anfangs 2017 beim Pilotprojekt Green Class der SBB dabei. Das Paket umfasst ein Generalabonnement der SBB in der 1. Klasse, einen BMW i3, der als Mietfahrzeug in meiner Garage steht. Weiter kann ich in der ganzen Schweiz die Mobility-Flotte nutzen und vielen Städten Bikes sowie E-Bikes abrufen. Das Ganze kostet pro Jahr rund  12‘000 Franken. Während mehr als 1,5 Jahren habe ich täglich meine Fahrten und deren Zweck auf der zugehörigen App rapportiert, habe Auswertungen erhalten und viel über mein Mobilitätsverhalten gelernt.

Deutlich geringerer CO2-Ausstoss

Ich kann stolz bekanntgeben, dass ich dank Green Class einen deutlich geringeren CO2-Fussabdruck habe. Gleichzeitig muss ich aber eingestehen, dass dies primär auf den Wechsel von meinem früheren, fossil betriebenen Auto zum elektrischen BMW i3 und nicht auf wesentlich mehr gefahrene öV-Kilometer zurückzuführen ist.  Denn nach meiner Pensionierung nutze ich die neugewonnene Freiheit durchaus auch für Ausflüge mit dem Elektroauto, beispielsweise um Schwimmbäder zu besuchen, Fitnesszentren am anderen Ende der Stadt zu testen oder auch mal einen Kulturanlass in den umliegenden Städten zu geniessen. Selbstverständlich nutze ich für längere Distanzen weiter den öV und habe kürzlich auch erstmals auch eine Reise in den Osten Deutschlands mit dem Zug absolviert. Fazit: Gesamthaft hat meine Mobilität zugenommen, mein öV-Anteil ist leicht gestiegen, weil ich mit der Bahn statt mit dem Flugzeug reise – innerhalb des geografisch näheren Radius nutze ich aber gerne den BMW i3.

Zeichen des Wandels

Inzwischen hat Green Class SBB die Pilotphase verlassen. Heute kann jede/r über Internet zwei Varianten der Green Class bestellen. Spannend zu beobachten wird sein, ob sich die Schweizerinnen und Schweizer überlegen, ob das eigene, möglichst grosse sowie fossil betriebene Auto weiterhin ein wichtiges Statussymbol ist oder ob heute die kombinierte Mobilität und morgen gar „Mobility as a service“ im Zentrum stehen. Eine durchaus legitime Überlegung: Denn mein BMW i3 steht während 95% der Zeit in einer Tiefgarage und könnte während diesen Stunden locker von 2-3 weiteren Personen genutzt werden – „sharing“ heisst das Zauberwort.

Auch die Autoimporteure stehen vor einem grösseren Wandel

Um die neuen, massiv tieferen Emissionsziele von 95 gCO2 pro Kilometer ab 2020 zu erreichen, müssen wohl beinahe 20% der verkauften Neuwagen über einen alternativen Antrieb verfügen. Hier wird wohl die batteriebasierte E-Mobilität die Nase vorne haben, weil derzeit weder Gas noch Wasserstoff überzeugende Fahrzeug- und Betankungs-Alternativen bieten können. Zudem wurde in den letzten zwei Jahren die Zahl der Elektroladestationen massiv ausgebaut, insbesondere die Schnelladestationen, bei denen man nach 15 – 20 Minuten mit ausreichend aufgeladener Batterie seine Reise fortsetzen kann. Zudem sind die Tank-Karten der verschiedenen Anbieter inzwischen harmonisiert und an den meisten Stationen einsetzbar.

Leistungsfähigere Batterien gefragt

Mein BMW i3 hat im Sommer eine Reichweite von rund 220 Kilometern, im Winter reduziert sich diese auf etwa die Hälfte. Die europäischen Hersteller von E-mobilen stehen vor der Herausforderung, ihre Fahrzeuge mit deutlich leistungsfähigeren Batterien auszurüsten. Ansonsten dürfte wohl China auch in diesem Bereich den Lead übernehmen, wie es dies nach den PV-Panels, den Windgeneratoren und aktuell auch bei den E-Rollern mit einigem Erfolg tut. China investiert derzeit massiv in den Ausbau der Batterienproduktion sowie der entsprechenden Forschung. Wenn insbesondere Deutschland hier nicht mithalten kann, wäre dies ein harter Schlag für die traditionsreiche deutsche Automobilindustrie und auch ein schmerzhafter Verlust für viele ihrer schweizerischen Zulieferer.

Erscheint am 30. August 2018 im Energate Messenger

Sommerzeit – SchweizMobil Zeit

Sommerzeit! Nach dem Schulreisli des Bundesrats ist in Bundesbern wie jedes Jahr die grosse Sommerpause angebrochen. Wir lesen aktuell höchstens, welcher Bundesrat sich mit wie vielen 1.August-Ansprachen profilieren will und fragen uns, ob er diesen Marathon ohne Helikopter schaffen wird. Und wir hoffen, dass mit der EU vor deren offiziellen Ferien im August bei den bilateralen Verhandlungen Durchbrüche oder zumindest Fortschritte erzielt werden. Denn das damit verknüpfte Stromabkommen ist für unsere Versorgungssicherheit zentral, die mit vertraglich vereinbarten klaren Regeln, Rechten und Pflichten deutlich einfacher und kosteneffizienter umzusetzen ist.

Eine verschnupfte Landesfeier als Auslöser einer Erfolgsstory

1991, im Vorfeld zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft, war das Projekt einer neuen Landesausstellung von einzelnen Innerschweizer Kantonen in Volksabstimmungen abgelehnt worden. Zudem hatte der 1989 aufgedeckte Fichenskandal bei vielen die Freude am Feiern massiv vergällt. Wenn selbst Leute wie Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt überwacht wurden, dann schien einiges faul im Staat. „700 Jahre sind genug“ war damals ein durchaus populärer Slogan.

Als Reaktion auf die verschnupfte Stimmung stellte die Solothurner Kantonsregierung im Rahmen der 700-Jahr-Feier einen schönen Betrag zur Verfügung, um neue innovative Projekte zu starten. Eine spannende Eingabe machte das Oltner Velobüro, eine den Grünen nahestehende Gruppe: Ein kantonaler Radwanderweg sollte realisiert werden. Bei der internen Evaluation im Rathaus schwang diese Idee oben aus, doch die (partei-)politischen Widerstände waren nicht klein. Sie konnten aber dank einer konsensstiftenden Geschäftsführerin und einem liberalen OK-Präsidenten überwunden werden.

Vom kantonalen Projekt zur nationalen Bewegung

Zuerst wurde noch über die Verwendung des Begriffs „Wanderwege“ gestritten, doch schon bald ging die Post ab. Es wurden Schilder montiert, es entstanden Velorouten, es wurden Reiseführer mit Tipps, guten Unterkünften, Sehenswürdigkeiten und Velowerkstätten gedruckt. Aus der kantonalen Initiative entstand 1998 Veloland Schweiz, welches zusammen mit dem aufkommenden Velo- und später mit dem E-Bike-Boom Breiteneffekte auslöste. Es engagierten sich die Kantone über die zuständige Direktorenkonferenz BPUK, es kam die Unterstützung der mitverantwortlichen Bundesämter sowie der Tourismusorganisationen dazu.

2008 wurde als nächste Etappe „SchweizMobil“ gegründet, seither werden Wanderwege, Mountainbike-Trails, Skatingstrecken, Kanurouten, Winterwandern, Schneeschuhwandern, Langlaufen und Schlitteln gemeinsam dokumentiert und promotet. Bin ich heute irgendwo in der Freizeit sportlich unterwegs, dann nutze ich die App von SchweizMobil – einfach genial. Im Jahre 2017 hatten App und Homepage von SchweizMobil mehr als 12 Millionen Besucher!

Vor kurzem trafen sich die Initianten und Supporter dieser Bewegung zum Jubiläum „20 Jahre Veloland – 10 Jahre SchweizMobil“. Interessanterweise waren auch nicht wenige kantonale Wirtschaftsförderer unter den Teilnehmern. Sie erzählten mir, dass entlang der Hauptrouten – speziell in den Alpen – inzwischen in den Sommerwochen öfters die Betten knapp werden. SchweizMobil, gestartet als kleines Solothurner Pflänzchen, hat heute in einzelnen Regionen eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. Bereits im Jahr 2013 wurde ein Umsatz von 730 Millionen Franken für An- und Rückreise, Beherbergung und Verpflegung ausgewiesen. Diese Zahl dürfte sich inzwischen verdreifacht haben. Für Schweiz Tourismus ist die Promotion von SchweizMobil im Ausland eines der erfolgreichsten Produkte mit vielen Packages, welche auf individuelle Bedürfnisse und Wünsche zugeschnitten werden können.

SchweizMobil: Das ist Schweiz, in der mit Unterstützung von Bund und Kantonen aus kleinen pfiffigen Projekten nationale Bewegungen entstehen können.

 

 

 

Qualifizierte Verwaltungsräte gesucht

Meine erste Stelle nach dem Studium an der Uni Zürich trat ich bei der Solothurner Kantonalbank an. Als volkswirtschaftlicher Mitarbeiter des Direktionspräsidenten. Ein schöner Titel für einen Einsteiger in die Praxis, aber damals waren die Akademiker in den Banken noch derart selten, dass man ihnen wohlklingende Bezeichnungen und auch eine (Teilzeit-)Sekretärin gab. Heute wäre dies schlicht ein Praktikant, der sich mit einem Laptop ausgerüstet langsam von der schönen Welt der Theorien sowie Modelle entfernt und in der realen Wirtschaft ankommt.

Von Mineralwassern und Zigarren

Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Vorbereitung der Sitzungen von Bankrat sowie Bankkommission, also des Bankratsausschusses. Neben dem Anfertigen von Folien zu Konjunktur, Bautätigkeit und Beschäftigung war ich jeweils auch beim Herrichten der Versammlungsräume beteiligt. Da ging es auch um wesentliche Dinge wie den Inhalt der Zigarrenkiste sowie das richtige Mineralwasser an den einzelnen Sitzplätzen im Sitzungszimmer. Denn die grösseren Kredite mussten von den nach Parteiproporz in die Bankkommission gewählten Politikern bewilligt werden. Um diese bei Laune zu halten, wurden die Lieblingszigarren sowie die individuell bevorzugten Mineralwasser (Passuger, Meltinger oder Lostorfer) der einzelnen Mitglieder exakt auf jeden Sitz zugeordnet. Zudem musste jeder noch mindestens drei Zigarren nach Hause nehmen oder auf dem Heimweg seinen Kollegen und Parteigängern verschenken können. Die Kredite wurden denn auch von den eher wenig sachkompetenten Politikern meist durchgewinkt. Nur in seltenen Fällen gab es kritische Fragen.

Am Ende wurde privatisiert und die Zeche berappte der Steuerzahler

15 Jahre später hatte sich die stark politisierte (aber durch den Zigarrenrauch eingenebelte) und von der Geschäftsleitung deshalb sehr autonom geführte Solothurner Kantonalbank derart verspekuliert, derart viele faule Kredite vergeben und sich mit der BiK (Bank in Kriegstetten) zusätzlich ein marodes Institut einverleibt, dass sie umfassend saniert und schlussendlich privatisiert werden musste.

Für Politiker waren VR-Mandate bisher attraktiv

Ähnlich stark ist auch heute noch der Einfluss der Politik in vielen Firmen der Energiewirtschaft. Lange Zeit freuten sich Vertreter von Regierungen und Parlamenten als Mitglied von Leitungsgremien der Strom- oder Gaswirtschaft zumindest einmal jährlich eine interessante Studienreise machen zu können. Zudem erhielten sie weitere nichtmonetäre „Goodies“. Der Verwaltungsratspräsident eines grossen Energiekonzerns hat mir vor einigen Jahren versichert, er sei froh, wenn die in seinem Gremium einsitzenden Exekutivpolitiker während des Verfolgens der sonntäglichen Fussballmatch-Fernsehübertragung zumindest noch kurz in die Sitzungsakten schauen, mehr erwarte er nicht von ihnen.

Ich frage mich beispielsweise, welchen Mehrwert die beiden neuen Zürcher Stadträte Rykart und Baumer dem Verwaltungsrat des Kernkraftwerks KKW Gösgen bringen. Ein fachlich kompetentes Verwaltungsratsmitglied von Gösgen berichtete mir, dass er jeweils den überforderten Vertretern der Politik während der Sitzungen Empfehlungen abgebe, was diese mit Blick auf die Eigentümerinteressen stimmen sollten.  Ähnliche Konstellationen ergeben sich bei den Leitungsgremien vieler Partnerwerke sowie städtischen Unternehmen und Gemeindebetriebe, wo Politikerinnen sowie Politiker noch immer dominieren.

Führen dank Eigentümerstrategien und klaren Zielvorgaben

In Zeiten des Wandels (und dieser ist in der Energiewirtschaft aktuell ja sehr fassbar) sollten sich Kantone, Städte und Gemeinden vorerst einmal klarwerden, was sie von ihren Firmen erwarten. Denn vieles, was bisher als Monopol galt, ist nun im Wettbewerb mit anderen Energieträgern sowie neuen Energietechnologien. Auf dieser Analyse basierend sollten die Exekutiven eine klare Eigentümerstrategie festlegen. Zudem sollten sie sich bewusst sein, dass sie selbst kaum genügend Zeit haben, um das Unternehmen in den Leitungsgremien aktiv sowie effektiv steuern zu können. Sie sollten deshalb den Firmen Ziele sowie einen Leistungsauftrag vorgeben und auch ihre finanziellen Erwartungen klar definieren.

Bunte erstklassige Mischung im Verwaltungsrat gibt Gegengewicht zum Management

Dann sollten die Eigentümer Personen in den Verwaltungsrat wählen, welche unterschiedlichste Qualifikationen mitbringen. Dazu zählen sicher Ingenieurwissen im Energiebereich, Marketing, Finanz- und Rechnungswesen, Informatik, Recht, Unternehmensführung sowie Know-how zu Europa. Daneben sollten diese Personen strategisch denken können und auch eine gute Streitkultur haben. Nur so werden sich diese Gremien von vielen der heutigen Verwaltungsräte diverser Energieunternehmen sowie vom ehemaligen Bankrat der Solothurner Kantonalbank abheben können. Nur so sind Verwaltungsräte mehr als Abnicker von Strategien, welche das Management ausheckt und showmässig perfekt – mit vielen bunten, von kostengünstigen Praktikanten sowie teuren Beratern angefertigten Slides – dem eigentlichen Strategieorgan Verwaltungsrat präsentiert.

 

Erscheint im Energate Messenger am 28. Juni 2018