Lieber M.
Geboren am 30. Juli 2020 bist Du mein erster Grosssohn. 2050 wirst Du dreissig Jahre alt sein. Ich werde das wohl nicht mehr erleben, ich wäre dann 99 Jahre alt. Doch Du interessierst Dich sicher schon bald dafür, wie das Klima und die Lebensqualität in der Schweiz im Jahr 2050 sein werden.
Bis 4,5 Grad Temperaturanstieg?
Bis 2050 steigt die globale Temperatur – wenn wir nichts tun – um etwa 3 Grad an. In der Schweiz müssen wir gar mit einem noch stärkeren Anstieg rechnen, im Sommer bis zu 4,5 Grad. Das bedeutet mehr Hitzetage, mehr Extremwetter, weniger Schnee im Winter, geschmolzene Gletscher, vermehrt Murgänge und Überschwemmungen. Zudem kämen wohl Klimaflüchtlinge von Inseln und Landstrichen in die Schweiz, weil deren Heimat unter Wasser liegt.
Das CO2-Gesetz ist ein Kompromiss
Viele Staaten, so auch die Schweiz, haben sich mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 verpflichtet, den Temperaturanstieg deutlich unter 2 Grad zu halten. Nun geht es in den einzelnen Ländern um die Umsetzung dieses ambitiösen Ziels. Allein mit technischen Massnahmen wird es wohl nicht zu erreichen sein. In der Schweiz hat das Parlament in den letzten drei Jahren dazu ein neues CO2-Gesetz erarbeitet, über das am 13. Juni abgestimmt wird. Gesetzeswerke sind in unserem Lande immer Kompromisse, weil man den Berggebieten, den Städten, den Umweltanliegen aber auch wirtschaftlichen Aspekten Rechnung tragen muss. Keine Gruppe konnte sich ganz durchsetzen, aber es ist eine Lösung, die zu unserem Land passt. Denn das CO2-Gesetz beinhaltet nicht Verbote, arbeitet mit Anreizen und Förderungen, um Wirkung zu erzielen.
Die Schöpfung bewahren: Klimaerwärmung stoppen
In der aktuellen Abstimmungskampagne sollte eigentlich die Bewahrung der Schöpfung im Zentrum stehen: Was müssen wir tun, damit auch Du und Deine Generation im Jahre 2050 noch eine hohe Lebensqualität haben? Wie können wir die Klimaerwärmung möglichst geringhalten? Wie schaffen wir möglichst optimal den Umstieg zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien?
Die üblichen Argumente der Angstmacher
Doch jetzt wird, lieber M., nicht über Deine Zukunft diskutiert. Jetzt werden die Gegner des Gesetzes nicht müde, dem Volk einzubläuen, dass die Kosten untragbar und die Mehrbelastungen für die kleinen Leute unerhört seien. Sie scheuen sich dabei nicht, nur von den Abgaben zu sprechen und nicht zu erwähnen, dass ein Grossteil dieser Gelder wieder an die Bevölkerung sowie die Wirtschaft in Form von tieferen Krankenkassenprämien sowie AHV-Beiträgen fliesst.
Die Wirtschaft profitiert
Gejammert wird auch über die Mehrbelastung der Wirtschaft. Dies obwohl sich künftig alle Firmen von der Bezahlung der CO2-Abgabe befreien können, wenn sie im Gegenzug ihre CO2-Emissionen reduzieren. Das neue CO2-Gesetz ist gar ein eigentliches Förder- und Beschäftigungsprogramm für die einheimische Wirtschaft. Es werden Gebäude saniert, neue Energietechnologien breit ausgerollt und viel in Forschung sowie Entwicklung investiert.
Getrieben wird die Kampagne gegen das CO2-Gesetz primär von der Erdölindustrie sowie rückwärtsorientierten Teilen der Automobilwirtschaft. Es ist ein letztes Aufbäumen gegen einen Wandel, der unumgänglich ist, damit wir Dir und Deiner Generation eine einigermassen intakte sowie funktionierende Schweiz hinterlassen können.
Herr Kellner leistet dem Thema Wasserstoff keinen Dienst
Eher peinlich auch die Aussagen der Gegner zum Thema Wasserstoff. Dank ihm sei das CO2-Gesetz völlig unnötig. An einer Medienkonferenz im Bundeshaus präsentierte Christian Imark, seines Zeichens SVP-Oberlehrer in Energiefragen, vorerst seine bestbekannten Botschaften zur Überfremdung der Schweiz durch immer mehr Ausländer. Dann übergab er das Wort witzigerweise genau an einen solchen, nämlich an Dr. Hans Michael Kellner, CEO der Messer Schweiz AG. Dessen Ausführungen zum Thema Wasserstoff waren zwar interessant, doch berücksichtigte er die Umsetzbarkeit in unserem Land überhaupt nicht. In der Schweiz werden wir kaum je so viel überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen haben, dass sich dies rechnen würde. Zudem wäre der Zubau dieser zusätzlich nötigen PV-Anlagen und Windanlagen nur mit riesengrossen Subventionen möglich. Dieser Wasserstoff-Weg wäre also deutlich kostspieliger Weg als das neue CO2-Gesetz. Vermutlich hat die Spitze von Messer Schweiz nach dem Event auch gemerkt, dass sie da auf die falsche Karte gesetzt hatte. Das entsprechende Video war jedenfalls bald wieder von ihrer Webseite verschwunden.
Reden wir in zehn Jahren über das Erreichte und die Zukunft
Ich freue mich, lieber M., mit Dir in zehn Jahren zu diskutieren, was wir bereits erreicht haben. Wir werden einen etwas anderen Dialog führen als ihn die SVP-Vereinfacher derzeit in einem Spot klischeehaft vorführen – weil in unserer Familie seit Generationen Klima, Umwelt, prosperierende Wirtschaft wie auch eine solidarische Zukunft wichtig sind.
Lieber M., ich hoffe, dass am 13. Juni viele Grossväter und Grossmütter, Mütter und Väter aber auch alle weiteren Personen, die den nächsten Generationen eine intakte Umwelt und eine lebenswerte Schweiz übergeben wollen, zum CO2-Gesetz Ja sagen und in grosser Zahl an die Urne gehen.
Herzlich,
Dein Grosspapa Walti
Der Text wird am 27. Mai 2021 im Energate Messenger Schweiz publiziert