Qualifizierte Verwaltungsräte gesucht

Meine erste Stelle nach dem Studium an der Uni Zürich trat ich bei der Solothurner Kantonalbank an. Als volkswirtschaftlicher Mitarbeiter des Direktionspräsidenten. Ein schöner Titel für einen Einsteiger in die Praxis, aber damals waren die Akademiker in den Banken noch derart selten, dass man ihnen wohlklingende Bezeichnungen und auch eine (Teilzeit-)Sekretärin gab. Heute wäre dies schlicht ein Praktikant, der sich mit einem Laptop ausgerüstet langsam von der schönen Welt der Theorien sowie Modelle entfernt und in der realen Wirtschaft ankommt.

Von Mineralwassern und Zigarren

Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Vorbereitung der Sitzungen von Bankrat sowie Bankkommission, also des Bankratsausschusses. Neben dem Anfertigen von Folien zu Konjunktur, Bautätigkeit und Beschäftigung war ich jeweils auch beim Herrichten der Versammlungsräume beteiligt. Da ging es auch um wesentliche Dinge wie den Inhalt der Zigarrenkiste sowie das richtige Mineralwasser an den einzelnen Sitzplätzen im Sitzungszimmer. Denn die grösseren Kredite mussten von den nach Parteiproporz in die Bankkommission gewählten Politikern bewilligt werden. Um diese bei Laune zu halten, wurden die Lieblingszigarren sowie die individuell bevorzugten Mineralwasser (Passuger, Meltinger oder Lostorfer) der einzelnen Mitglieder exakt auf jeden Sitz zugeordnet. Zudem musste jeder noch mindestens drei Zigarren nach Hause nehmen oder auf dem Heimweg seinen Kollegen und Parteigängern verschenken können. Die Kredite wurden denn auch von den eher wenig sachkompetenten Politikern meist durchgewinkt. Nur in seltenen Fällen gab es kritische Fragen.

Am Ende wurde privatisiert und die Zeche berappte der Steuerzahler

15 Jahre später hatte sich die stark politisierte (aber durch den Zigarrenrauch eingenebelte) und von der Geschäftsleitung deshalb sehr autonom geführte Solothurner Kantonalbank derart verspekuliert, derart viele faule Kredite vergeben und sich mit der BiK (Bank in Kriegstetten) zusätzlich ein marodes Institut einverleibt, dass sie umfassend saniert und schlussendlich privatisiert werden musste.

Für Politiker waren VR-Mandate bisher attraktiv

Ähnlich stark ist auch heute noch der Einfluss der Politik in vielen Firmen der Energiewirtschaft. Lange Zeit freuten sich Vertreter von Regierungen und Parlamenten als Mitglied von Leitungsgremien der Strom- oder Gaswirtschaft zumindest einmal jährlich eine interessante Studienreise machen zu können. Zudem erhielten sie weitere nichtmonetäre „Goodies“. Der Verwaltungsratspräsident eines grossen Energiekonzerns hat mir vor einigen Jahren versichert, er sei froh, wenn die in seinem Gremium einsitzenden Exekutivpolitiker während des Verfolgens der sonntäglichen Fussballmatch-Fernsehübertragung zumindest noch kurz in die Sitzungsakten schauen, mehr erwarte er nicht von ihnen.

Ich frage mich beispielsweise, welchen Mehrwert die beiden neuen Zürcher Stadträte Rykart und Baumer dem Verwaltungsrat des Kernkraftwerks KKW Gösgen bringen. Ein fachlich kompetentes Verwaltungsratsmitglied von Gösgen berichtete mir, dass er jeweils den überforderten Vertretern der Politik während der Sitzungen Empfehlungen abgebe, was diese mit Blick auf die Eigentümerinteressen stimmen sollten.  Ähnliche Konstellationen ergeben sich bei den Leitungsgremien vieler Partnerwerke sowie städtischen Unternehmen und Gemeindebetriebe, wo Politikerinnen sowie Politiker noch immer dominieren.

Führen dank Eigentümerstrategien und klaren Zielvorgaben

In Zeiten des Wandels (und dieser ist in der Energiewirtschaft aktuell ja sehr fassbar) sollten sich Kantone, Städte und Gemeinden vorerst einmal klarwerden, was sie von ihren Firmen erwarten. Denn vieles, was bisher als Monopol galt, ist nun im Wettbewerb mit anderen Energieträgern sowie neuen Energietechnologien. Auf dieser Analyse basierend sollten die Exekutiven eine klare Eigentümerstrategie festlegen. Zudem sollten sie sich bewusst sein, dass sie selbst kaum genügend Zeit haben, um das Unternehmen in den Leitungsgremien aktiv sowie effektiv steuern zu können. Sie sollten deshalb den Firmen Ziele sowie einen Leistungsauftrag vorgeben und auch ihre finanziellen Erwartungen klar definieren.

Bunte erstklassige Mischung im Verwaltungsrat gibt Gegengewicht zum Management

Dann sollten die Eigentümer Personen in den Verwaltungsrat wählen, welche unterschiedlichste Qualifikationen mitbringen. Dazu zählen sicher Ingenieurwissen im Energiebereich, Marketing, Finanz- und Rechnungswesen, Informatik, Recht, Unternehmensführung sowie Know-how zu Europa. Daneben sollten diese Personen strategisch denken können und auch eine gute Streitkultur haben. Nur so werden sich diese Gremien von vielen der heutigen Verwaltungsräte diverser Energieunternehmen sowie vom ehemaligen Bankrat der Solothurner Kantonalbank abheben können. Nur so sind Verwaltungsräte mehr als Abnicker von Strategien, welche das Management ausheckt und showmässig perfekt – mit vielen bunten, von kostengünstigen Praktikanten sowie teuren Beratern angefertigten Slides – dem eigentlichen Strategieorgan Verwaltungsrat präsentiert.

 

Erscheint im Energate Messenger am 28. Juni 2018